Donnerstag, 11. Juli 2019

Die Macchiato-Angelegenheit



Heute aus der Rubrik Geschichten, die das Leben schrieb: Im Zug (SBB) von Zürich nach München sitze ich gemütlich bei der Lektüre des aktuellen DreckSacks…

Ich: Haben Sie Espresso Macchiato? 

Kellner: Natürlich. 

Ich: Gut, dann nehme ich einen und haben Sie kleine Panettone? 

Kellner: Panettone sind immer klein. 

Das war zwar nicht die Antwort auf meine Frage, aber egal. Nach einer Ewigkeit kommt er zurück, kann sich aber nicht mehr an mich erinnern. Ich wedle mit den Armen, dass ich die mit dem Espresso Macchiato bin. Er stellt mir den immer kleinen Panettone und einen Espresso hin, und pfeffert mir die Rechnung in Euro (6.80) vor den Latz. 

Er: Zucker? 

Ich: Nein danke. 

Er wirft mir einen Zucker hin. 

Ich: Ich hatte aber ... doch er ist schon weg. Als er wiederkommt, beende ich meinen Satz … Espresso Macchiato bestellt, das hier ist nur Espresso. 

Er: Ja soll ich den jetzt austauschen? 

Ich: Na lassense mal. Kann ich auch in Franken zahlen? 

Er: Ja, 8.80 

Ich: Was isn das fürn Umrechnungskurs? (Ich hatte hochgerechnet inkl. Trinkgeld max. 8 Franken). 

Er, als wäre ich des Deutschen nicht mächtig: Nix Kurs, Fixpreis. Sie habe Wahl entweder das eine oder das andere. Entscheide! 

Ich hätte ja gern geantwortet: Auch Du mein Freund habe Wahl, entweder eine Kopfnuss oder eins zwischen die Nüsse. Stattdessen habe ich brav gezahlt, meinen immer kleinen Panettone verdrückt und den lauwarmen, nicht bestellten Espresso hinterhergekippt, während die "Service"kraft kopfschüttelnd von dannen trabte.

Was die Presse sagt

Kleine Kritik in der Augsburger Allgemeinen zur Lesung im Staatstheater / Ofenhaus im Gaswerk:





Montag, 1. Juli 2019

Flop mit Salsa

Weil ich in einer heißen Samstagsommernacht nicht allein zu Hause auf der Couch in Depressionen verfallen wollte, folgte ich dem Lockruf Habana Night – Salsa, Bachata, Kizomba. Spontan, gegen 23 Uhr, gegen meine Natur. Ich bin nie spontan und jetzt weiß ich auch wieder warum: Es führt zu nix.

Ich hatte in Erinnerung an heiße Nächte in Havanna, wo jeder trunken auf der Tanzfläche herumwuselte, ob alt oder jung, Salsa-Meister oder des Tanzens unfähig, allein, als Paar, im Trio oder im fliegenden Partnerwechsel auf genauso eine Party gehofft. In Havanna endeten derartige Festivitäten IMMER mit Sex. Ja auch darauf hatte ich im Idealfall in illusorischer Verblendung spekuliert. Ich Dummerchen. Hatte ich vergessen, wo ich lebe? 

In der Zürcher Bananenreiferei reift heute nichts mehr. An Kuba erinnerten allenfalls die Temperatur und die Musik, die etwas blechern aus der Retorte dröhnte. Die Tanzfläche war sehr übersichtlich ausschließlich von Paaren frequentiert. Mehrheitlich in zwinglianisch-gesittetem Tanzrhythmus. Allein bewegte niemand auch nur den großen Zeh. Die guten Latinotänzer hatten ihre Partnerin dabei oder «prügelten» sich um die jungen, professionellen Damen. Ich meine Tänzerinnen wohlgemerkt. 

Am Rand standen vereinzelte Herren. Die Latinos und Afrikaner sahen mir einigermaßen nach Rhythmus aus, die weißen Herren und Asiaten machten den Eindruck, als könnten sie nicht bis 3 zählen. Beides war irrelevant, denn ich schien unsichtbar. Ich selbst war von einem Mojito (16 Franken) nicht betrunken genug, um meinerseits einen Herrn zum Tanze zu bitten. Ich wackelte aufmunternd mit den Hüften. Keiner forderte mich auf oder nahm auch nur Notiz von mir. Das war frustrierender als in einer Sommersamstagnacht allein zu Hause ...

Mir taten die Füsse weh vom rumstehn in Absatzschuhen. War meine Zeit endgültig vorbei? Ich dachte 50 ist das neue 30? Pustekuchen. Ich startete einen letzten Andockversuch. Gerade als ich den knackigen Burschen zu meiner rechten auffordern wollte, zog ihn eine schwer nach konservativer Gouvernante aussehende Trulla von mir weg. «Der gehört jetzt mir!», fauchte sie. Ich hob beschwichtigend die Arme. Sei’s drum, soll sie ihn haben. Ich hatte die Schnauze voll und ging. 43 Franken (Zug, Eintritt, 1 Drink) für die Katz. Der Totalreinfall. Nichts von Havanna. Nichts von alten Partyzeiten, in denen ich allein kam, siegte und immer zu zweit ging. 

Ich wartete aufs Tram. Lange. Am Hauptbahnhof fuhr der nächste Zug in 45 Minuten. Ich kaufte ein Wasser für 4 Franken, um die Wartezeit zu überleben, und den 5-Franken-Nachtzuschlag für den Zug. Ich setzte mich auf eine Bank. In etwas Nasses. Es sah aus, als hätte ich mich eingepisst. Ein Inder trudelte geradewegs auf mich zu und bot mir seine sexuellen Dienste an. Wollte er mich im McClean-Klo vögeln? Ich lehnte dankend ab. Ein Afrikaner fragte mich kurze Zeit später, ob ich französisch könne. Na sprechen jedenfalls nicht ... ich überlegte, ob ich mich zur Überbrückung der Wartezeit rasch prostituieren sollte. Aufgrund der immer noch sehr hohen Temperatur hielt ich das allerdings nicht für sehr zielführend. 

Mir taten die Gräten weh vom Nichtstun. Ich trottete auf den Bahnsteig, um mich hinzusetzen. Doch alle Bänke waren schon dicht besiedelt von Jungvolk. Der einzige freie Platz war neben einer jungen Frau, die gleichzeitig schlief und kotzte. Mein Magen und meine Lefze hoben sich synchron. 

Via WhatsApp Videochat rief mich ein Bekannter aus einem Taxi in Hamburg an. Ohne Brille konnte ich sein Gesicht, das so nah an der Linse klebte, dass ich zeitweise nur zwei schwarze Löcher, die ich seinem Riechorgan zuordnete, erspähte, kaum erkennen. Akustisch verstand ich nichts. Ich legte auf. Der Zug fuhr ein – füllte sich sekundenschnell mit besoffenen, schweißelnden Teenagern – und lange nicht ab. Später quälte ich mich den Berg zu meiner Klause rauf, die ich besser nie verlassen hätte. Meine körperliche Betätigung hatte ich mir anders vorgestellt.

Zu Hause schaute ich in den Spiegel – mein Gesicht so schön und restauriert wie beim Verlassen des Hauses. Gar nicht be- oder abgenutzt. Wie schade! 

Ich las – mit Genugtuung – einige vernichtende Kritiken zu den Texten zum diesjährigen Bachmannpreis, an dessen Teilnahme ich haarscharf wegen eines Metaebenenproblems vorbeigeschrammt war. Um die Kritik bestätigen zu können, las ich dann noch einige Texte. Sie sind grauenvoll. Vor allem so thematisch. Sie lassen sich mit Die Absenz von Humor umschreiben. Wenn das die relevante Literatur von 2019 ist, bin ich froh, dass ich in letzter Sekunde aussortiert wurde. 

Ich setzte mich nackt auf den Balkon und starrte in den Sternenhimmel. In zwei Stunden würde die Sonne aufgehen und alles von vorne beginnen.