Am Freitag fuhr ich
für einen Termin von Zürich nach Konstanz. Im Zug war ich umzingelt von potenziellen
Einkaufstouristen, die mit leeren Koffern und Einkaufsrollwägelchen bewaffnet
ennet der Grenze einen günstigen Wochenendeinkauf erledigen wollten.
Eingepfercht saß
ich zwischen zwei mittelalten Schweizerinnen mit allerlei Taschen und ungeheurem
Mittteilungsbedürfnis. Es hätten genauso gut zwei Deutsche oder Vertreter
irgendeiner anderen Nation sein können. In diesem Falle waren es halt Schweizerinnen.
Sie unterhielten sich über den Attentäter von Halle:
Frau 1: Wo war das
gleich wieder, wo der gestern zwei Menschen erschossen hat?
Frau 2: Das war
vorgestern. Das war in Zelle.
Frau 1: Ich hab’
gehört, der konnte nur nicht in die Moschee stürmen, weil er Ladehemmungen
hatte. Aber sie haben ihn, oder?
Frau 2: Ja, der
mutmaßliche Täter. Muuuutmaßlich. Es gab wohl ein Video.
Frau 1: Ach! Hat
das jemand gefilmt?
Frau 2: Keine
Ahnung.
Frau 1: Wo war der
her?
Frau 2: Ich weiss
nicht. Syrien oder so.
Mir schwoll
unterdessen ein bisschen der Kamm. Am liebsten hätte ich gerufen: Halle, es war
in Halle. Das ist kein Gebäude, sondern eine Stadt.
Und warum sollte
ein Syrer eine Moschee angreifen? Das ergibt keinen Sinn. Vor allem, weil es
eine Synagoge war. Aber es war ein Düüütscher. Ein Nazi!!! Ein Antisemit. Er
hatte leider keine Ladehemmung. Höchstens sein Gewehr. Aber meines Wissens
scheiterte er am Türschloss der Synagogeneingangstür. Und er ist auch nicht der
mutmaßliche Täter, denn das Video hat er selbst gedreht und da sieht man seine
Nazifresse. Doch die beiden waren schon beim nächsten Aufregerthema.
Frau 1: Wie heißt
die Göre da aus Stockholm?
Frau 2: Ähm. Mhhh.
Ach, Du meinst die 14-Jährige?
Frau 1: Ja. Die ist
ja auch nicht konsequent. Die ist doch nach New York mit dem Schiff, weil sie
nicht fliegen wollte. Aber Schiff ist doch noch viel schlimmer.
Frau 2: Nein, deren
Boys sind geflogen, deswegen.
Frau 1: Ach? Deren
Boys, aha. Ja. Die Jungen sind halt auch doppelmoralig, wenn sie dann auf den Schulausflug
mit dem Flugzeug gehn.
Ja, Letzteres hat
was. Aber die Göre, die im übrigen Greta Thunberg heißt, war nicht auf nem
Schulausflug. Und das Schiff war ein Katamaraaaaahan!! Und sie kann auch wenig
dafür, wenn die versammelte Journaille und Entourage geflogen ist. Was Scheiße
ist, aber nun mal passiert und bis zu einem gewissen Grad unvermeidbar. Ihre
Boys waren es aber sicher nicht. Und sie ist sechzehn und nicht vierzehn,
Herrgott nochmal! Man kann von ihr halten, was man will. Aber bei den Tatsachen
bleiben, ist doch nicht zuviel verlangt ihr dumpfbackigen Schnepfen!
Aber sie waren
schon beim Thema Billigflüge.
Frau 2: Nach
Italien haben wir 340 Euro pro Person gezahlt.
Frau 1: Ja, das ist
billig.
Frau 2: Billig für
den Zug?
Frau 1: Ja, sag ich
ja, ziemlich teuer für Zug nach Italien.
Ähm, wenn ich mal
intervenieren...
Nein, durfte ich
nicht. Denn sie waren bereits dabei, Veganer durch den Kakao zu zieh’n, die
Saftigkeit von Äpfeln anhand deren Farbe zu analysieren und zu debattieren, wie
bescheuert sich der Enkel von Therese immer aufführe, hätten halt keine Bildung
die Jungen heutzutage. Bitte?
Frau 2: Ich
verstehe nicht, wieso das wie Käse oder Würste aussehen muss. Na, ich bin froh,
dass ich den Dreck nicht essen muss. Aber dieses, na, wie heisst das
gleich wieder, dieses Geschnetzelte vom Coop…
Frau 1: Tofu?
Frau 2: Nein, dieses
Quor oder so, das hab ich gern.
Frau 1: Kenn’ ich
nicht.
Hier erschloss sich
mir einiges. Vermutlich haben die beiden ein bisschen zu viel Fleisch gegessen.
Roh und blutig. Gammelfleisch mit Antibiotika versetzt. Mit genmanipuliertem
Gemüse als Beilage.
Kurz vor Konstanz konnte
ich dann doch nicht mehr an mich halten und hörte mich sagen:
Wenn ich kurz die
Fakten aufzählen dürfte:
Halle-Synagoge-Nazi-Deutscher-standhafte
Tür-der Täter steht fest-Greta Thunberg-16 Jahre-Katamaran-auf dem Weg zu den Vereinten
Nationen-Journalisten im Flieger…
… und Veganes soll
vor allem so schmecken wie. Und neeeiiin, Äpfel sind nicht automatisch saftiger
je roter ihre Schale. Gibt es irgendein Thema, von dem ihr dummen Hühner etwas
versteht?
Natürlich sagte ich
das alles nicht. Oder nur so vor meinem inneren Ohr, ich feiges Weichei.
Eine der beiden wurde später in Konstanz um ein Haar über den
Haufen gefahren, weil sie seelenruhig, als Einzige, die Straße bei Rot
überquerte. Und zwar zweimal hintereinander, während allen anderen das
Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand. Ich fragte mich, ob ihr Fast-Tod unter
Versuch einer natürlichen Auslese zu verbuchen sei.
Nach
meinem Termin erstand ich im Drogeriemarkt ein paar günstige Kosmetikartikel
und Nahrungsergänzungsmittel, die vermutlich wirkungslos bleiben, die ich mir
aber bei diesen Preisen einfach nicht entgehen lassen konnte. Dann ging ich zu Karstadt
auf die Toilette. Im 2. Stock lief mir mein Exfreund über den Weg.
Er: Gut siehst du
aus.
Ich: Alt bist du geworden!
Eine imaginäre
Unterhaltung, denn als ich näher dran war, merkte ich, das er’s gar nicht ist.
Ich bekam
Hunger und ging zum Hafen: Seit zwei Wochen hatte ich erfolgreich und ohne Mühe
auf jegliche Fleisch- und Wurstware verzichtet. Und dann bestellte ich, wie auf
Autopilot, zwei Weißwürste. Erst als ich die erste Wurst schon intus hatte,
fiel mir das auf. Dazu hatte ich mir ein Schwarzbier gekauft. Die kleinste
erhältliche Größe: ein halber Liter!
Als das Glas leer
war, fühlten sich meine Glieder an wie Blei. Als sei das kein Schwarzbier,
sondern ein halber Liter Eiseninfusion gewesen. Ich war unfähig
aufzustehen. Nach einer halben Stunde Ausnüchterung, schleppte ich mich 300
Meter weiter ins nächstgelegene Café und bestellte mir einen Kaffee.
Und
dann setzte sich ein Sänger vor uns hin und gab It's a wunderful life von Black
(den Interpreten musste ich googeln – tolle digitale Welt, früher hätte man
warten müssen, bis er einem wieder einfällt) zum Besten. Ich fühlte mich in die
80-er des letzten Jahrhunderts zurückversetzt. Süße Jugend.
Danach sang er Nothing
else matters von Metallica und ich dachte: Genau! Nothing
matters. Scheiß doch der Hund drauf. Und dann überlegte ich, ihn später anzusprechen
und vielleicht würde eine Freundschaft draus. Oder eine neue Liebe. Ich könnte
bei ihm einziehen und mein Wohnungsproblem wäre vor der drohenden Sanierung und
zu erwartenden Mieterhöhung gelöst. Doch dann sang er Don't worry, be happy
und das war mir nun doch zu optimistisch. Und Sweet Home Alabama ist
auch bisschen weit für einen Umzug.
Ich bin mein Hotel California.
Und der Sänger sah sowieso nicht so dolle aus. Von einer Stimme allein wird
man schliesslich nicht satt. Und überhaupt, wieso hielt ich nach einem Mann
Ausschau, wo ich doch über jeden, den ich wieder los bin, heilfroh bin? Halleluja.
Und ohne Flachs sang er das dann auch und dann war wirklich Zeit ‘n Abgang zu
machen.