Kuta,
Bali
Hite nippt an seinem Bier. Sein Haar ist verfilzt und von der
Sonne ausgebleicht. Seit zwei Monaten tut er nichts
anderes als surfen.
Surfen ist der Sinn seines
Lebens. Tagelang ist er
mit dem Bus von Sumatra nach Bali gereist,
um hier auf die
perfekte
Welle zu warten. Bis jetzt hat er sie nicht gefunden.
»Und
was jetzt?«, frage ich leicht gelangweilt.
»Jetzt gehn wir zu mir. Ist fünf Minuten
von hier.« Er zahlt
die Drinks und steht auf. Es ist kurz vor Mitternacht.
»Was ist jetzt,
kommst Du?«, fragt er leicht ungehalten. Ich bin noch etwas unschlüssig. Schliesslich trotte ich hinter ihm her.
Seine Unterkunft entpuppt sich
als modriges, stickiges Hinterstübchen
direkt über einer lärmenden Diskothek. Die drei kleinen Zimmer und die Terrasse teilt er sich mit fünf Kumpels, die ebenfalls aus Sumatra oder Java kommen. Sie reden laut
durcheinander, rauchen stinkendes Kraut und spielen Karten. Die kleinen braungebrannten Männer sehen aus wie
eine Gangstergang. Sie machen keinen
besonders seriösen Eindruck. Mit einem jungen,
blonden Engländer wird gerade ein Drogengeschäft abgewickelt. Sein Blick und seine Pupillen verraten, dass er schon etwas genommen hat.
»Hi«, sagt der Engländer und lächelt
unsicher, während
er ein Tütchen
in
seiner Hosentasche verschwinden lässt.
»Hi«, sage ich und setze mich in einen verwitterten Korbsessel.
»Willst
Du was trinken?«, fragt Hite.
»Was
gibt’s denn?»
»Bier
oder Gin.«
»Okay
dann ein Bier.« Eine der kleinen Ratten springt auf und holt mir eine Flasche
aus dem riesigen Kühlschrank. Er ist das grösste
Möbelstück in dieser
eigenartigen WG. Ich gucke auf die Uhr. Es ist zwei nach Zwölf.
»Ich habe heute Geburtstag«, flüstere ich. Die Runde
springt spontan auf und singt mir »Happy Birthday«. Der Engländer
sitzt lethargisch in einer Ecke
und prostet mir unmotiviert zu. Jetzt bin ich 33 und sitze irgendwo
in Bali in einer Absteige
mit sechs fremden Indonesiern und einem zugedröhnten Engländer. Die Jungs sind eigentlich ganz nett, erzählen mir von ihrem Leben als Surfer
und von ihren japanischen Freundinnen, die sie angeblich
alle haben.
»Hast Du auch eine
japanische Freundin?«, will ich von Hite wissen.
»Nein, die sind
mir zu dünn.
Ich hab lieber
was in der
Hand«, antwortet er und grinst. Da war er bei mir ja zweifelsohne an die Richtige geraten.
Er hat grüne, mandelförmige Augen, die im schummrigen
Licht der einzigen Glühlampe regelrecht funkeln. Durch die sonnengegerbte Haut sieht er älter
aus, als er tatsächlich ist. Er ist vier Jahre jünger
als ich. Sein Haar reicht
ihm bis auf die
Schultern. Es duftet herb nach Frangipani und Ozean.
»I show you my room«, sagt er und nimmt
mich an die Hand.
»My room»
heisst in diesem
Fall »unser aller
room«, wer gerade einen room
braucht eben.
Hite beginnt sofort
emsig zu fegen. Es ist köstlich, wie er darum bemüht
ist, den Dreck
von einer in die andere Ecke zu
wedeln.
»Das kannst
Du Dir sparen. Hilft eh nix!«, sage
ich amüsiert und nehme
ihm den Besen aus der Hand. Rings um ein muf- figes grosses
Bett mit einem bunt umrandeten Bettüberwurf häuft sich
allerlei Krimskrams: grüne Plastikbügel, Porzellan- väschen, Klebeband, Fotos von surfenden Freunden, ein Land-
schaftsölbild, ein alter goldener Wecker,
leere Wasserflaschen, ein balinesisch-japanisches Wörterbuch und ein Miniboardunter dem Bett. An der Wand die Flagge
von Japan, ein Poster
von Cindy Crawford und ein Madonnenbild. Das Hab und Gut von mehreren Menschen in einem vier
mal drei Meter grossen Kabuff.
»Wollen wir nicht lieber an den Strand gehen?«, frage
ich vorsichtig.
»Wieso, ist doch gemütlich hier. Die anderen stören uns
schon nicht. Keine Angst.« Er küsst mich. Wir fallen
auf das quietschende Bett. Die Matratze
federt gewaltig nach. Im Raum stehen die Hitze und der Geruch fremder Menschen.
Das Zimmer hat kein Fenster. Als Tür dient ein Vorhang,
der leicht im Wind wedelt.
Ich starre an die Decke, an der ein Ventilator vor sich
hineiert. Ich mach
mir ein bisschen
Sorgen um meine hellen Kleider. Alles hier drinnen ist feucht und schmuddelig.
Hite riecht hingegen sehr gut. Exotisch.
Seine Hände sind etwas rau,
vom Wind und Meer, vom ständigen Surfbrett halten. Sein
Gesicht ist unbeschreiblich schön, etwas herb. Seine Lippen nähern sich meiner Stirn,
küssen Augenlider, Nase, Kinn. Dann verknoten sich unsere Zungen.
Es schmeckt nach Bier
und Salz.
»Ich will mit Dir schlafen«, flüstert Hite und beisst mir zart ins Ohrläppchen. Ein kurzer Schauer der
Lust überkommt mich.
»Ach was? Darauf
wäre ich jetzt
nicht gekommen.« Ich nehme sein Gesicht
in beide Hände
und küsse ihn
innig. Meine Zunge tastet die Innenseiten seiner
Lippen ab, fährt über
die geraden Zähne. Ich sauge seinen
Mund ein, fasse
mit der rechten
Hand seinen Hals an. Ich liebe diese Geste,
ich liebe Hälse.
»Hast
Du Kondome?«, frage ich.
»Shit!
Nein.«, antwortet er und setzt sich auf.
»Tja dann hast
Du Pech!«. Sein steifer
Schwanz zeichnet sich hinter seiner schwarzen Unterhose
ab.
»Hast Du denn keine?«, winselt
er und schiebt
meinen Rock hoch.
»Keine Ahnung,
Du kannst ja mal suchen.« Er knöpft nervös meine Bluse auf. Im BH findet er ein paar Geldscheine.
»Damit
bezahl ich Dich, wenn Du gut bist!«, scherze ich.
»Ich bin gut.
Willst Du meine
Referenzen sehen?» Will
ich nicht, ich will nur noch ihn. Sofort. Ich ziehe das Kondom
aus meinem Slip und stülpe es ihm über.
Sein Schwanz ist mittelgross.
»You are my big mosquito,
suck me!«, flüstert er. Dann sticht
er zu. Was verheissungsvoll anfängt, geht
dann etwas schnell vorbei.
Hite ist so erregt, dass er sich nicht lang genug zu- rückhalten kann und
ziemlich schnell kommt.
Wir entsorgen das Kondom.
Von draussen klingt das laute Gelächter seiner Kumpels ins Zimmer. Schweissgebadet liegen wir Hand in
Hand nebeneinander, starren an die Decke. Eine lästige Fliege surrt mir um den Kopf.
»Das ist besser als surfen!«, flüstert Hite. »Scheiss
auf die Welle!«
»Das
war also mein Geburtstag«, murmele ich.
»This is not the end«, sagt er gedankenversunken. Wenn er sich da mal nicht irrt!
Aus:
TROPENFIEBER - Geschichten aus der Fremde
(Die Story spielt 1999)
ISBN: 978-3833486692
Zuletzt erschienen m DreckSack Berlin, Ausgabe 2, April 2020
Hite nippt an seinem Bier. Sein Haar ist verfilzt und von der Sonne ausgebleicht. Seit zwei Monaten tut er nichts anderes als surfen. Surfen ist der Sinn seines Lebens. Tagelang ist er mit dem Bus von Sumatra nach Bali gereist, um hier auf die
perfekte Welle zu warten. Bis jetzt hat er sie nicht gefunden.
»Und was jetzt?«, frage ich leicht gelangweilt.
»Jetzt gehn wir zu mir. Ist fünf Minuten von hier.« Er zahlt die Drinks und steht auf. Es ist kurz vor Mitternacht.
»Was ist jetzt, kommst Du?«, fragt er leicht ungehalten. Ich bin noch etwas unschlüssig. Schliesslich trotte ich hinter ihm her. Seine Unterkunft entpuppt sich als modriges, stickiges Hinterstübchen direkt über einer lärmenden Diskothek. Die drei kleinen Zimmer und die Terrasse teilt er sich mit fünf Kumpels, die ebenfalls aus Sumatra oder Java kommen. Sie reden laut durcheinander, rauchen stinkendes Kraut und spielen Karten. Die kleinen braungebrannten Männer sehen aus wie eine Gangstergang. Sie machen keinen besonders seriösen Eindruck. Mit einem jungen, blonden Engländer wird gerade ein Drogengeschäft abgewickelt. Sein Blick und seine Pupillen verraten, dass er schon etwas genommen hat.
»Hi«, sagt der Engländer und lächelt unsicher, während er ein Tütchen in seiner Hosentasche verschwinden lässt.
»Hi«, sage ich und setze mich in einen verwitterten Korbsessel.
»Willst Du was trinken?«, fragt Hite.
»Was gibt’s denn?»
»Bier oder Gin.«
»Okay dann ein Bier.« Eine der kleinen Ratten springt auf und holt mir eine Flasche aus dem riesigen Kühlschrank. Er ist das grösste Möbelstück in dieser eigenartigen WG. Ich gucke auf die Uhr. Es ist zwei nach Zwölf.
»Ich habe heute Geburtstag«, flüstere ich. Die Runde springt spontan auf und singt mir »Happy Birthday«. Der Engländer sitzt lethargisch in einer Ecke und prostet mir unmotiviert zu. Jetzt bin ich 33 und sitze irgendwo in Bali in einer Absteige mit sechs fremden Indonesiern und einem zugedröhnten Engländer. Die Jungs sind eigentlich ganz nett, erzählen mir von ihrem Leben als Surfer und von ihren japanischen Freundinnen, die sie angeblich alle haben.
»Hast Du auch eine japanische Freundin?«, will ich von Hite wissen.
Er hat grüne, mandelförmige Augen, die im schummrigen Licht der einzigen Glühlampe regelrecht funkeln. Durch die sonnengegerbte Haut sieht er älter aus, als er tatsächlich ist. Er ist vier Jahre jünger als ich. Sein Haar reicht ihm bis auf die Schultern. Es duftet herb nach Frangipani und Ozean.
»I show you my room«, sagt er und nimmt mich an die Hand.
»My room» heisst in diesem Fall »unser aller room«, wer gerade einen room braucht eben. Hite beginnt sofort emsig zu fegen. Es ist köstlich, wie er darum bemüht ist, den Dreck von einer in die andere Ecke zu wedeln.
»Das kannst Du Dir sparen. Hilft eh nix!«, sage ich amüsiert und nehme ihm den Besen aus der Hand. Rings um ein muf- figes grosses Bett mit einem bunt umrandeten Bettüberwurf häuft sich allerlei Krimskrams: grüne Plastikbügel, Porzellan- väschen, Klebeband, Fotos von surfenden Freunden, ein Land- schaftsölbild, ein alter goldener Wecker, leere Wasserflaschen, ein balinesisch-japanisches Wörterbuch und ein Miniboardunter dem Bett. An der Wand die Flagge von Japan, ein Poster von Cindy Crawford und ein Madonnenbild. Das Hab und Gut von mehreren Menschen in einem vier mal drei Meter grossen Kabuff.
»Wollen wir nicht lieber an den Strand gehen?«, frage ich vorsichtig.
Hite riecht hingegen sehr gut. Exotisch. Seine Hände sind etwas rau, vom Wind und Meer, vom ständigen Surfbrett halten. Sein Gesicht ist unbeschreiblich schön, etwas herb. Seine Lippen nähern sich meiner Stirn, küssen Augenlider, Nase, Kinn. Dann verknoten sich unsere Zungen. Es schmeckt nach Bier und Salz.
»Ich will mit Dir schlafen«, flüstert Hite und beisst mir zart ins Ohrläppchen. Ein kurzer Schauer der Lust überkommt mich.
»Ach was? Darauf wäre ich jetzt nicht gekommen.« Ich nehme sein Gesicht in beide Hände und küsse ihn innig. Meine Zunge tastet die Innenseiten seiner Lippen ab, fährt über die geraden Zähne. Ich sauge seinen Mund ein, fasse mit der rechten Hand seinen Hals an. Ich liebe diese Geste, ich liebe Hälse.
»Hast Du Kondome?«, frage ich.
»Shit! Nein.«, antwortet er und setzt sich auf.
»Tja dann hast Du Pech!«. Sein steifer Schwanz zeichnet sich hinter seiner schwarzen Unterhose ab.
»Keine Ahnung, Du kannst ja mal suchen.« Er knöpft nervös meine Bluse auf. Im BH findet er ein paar Geldscheine.
»Damit bezahl ich Dich, wenn Du gut bist!«, scherze ich.
»Ich bin gut. Willst Du meine Referenzen sehen?» Will ich nicht, ich will nur noch ihn. Sofort. Ich ziehe das Kondom aus meinem Slip und stülpe es ihm über. Sein Schwanz ist mittelgross.
»You are my big mosquito, suck me!«, flüstert er. Dann sticht er zu. Was verheissungsvoll anfängt, geht dann etwas schnell vorbei. Hite ist so erregt, dass er sich nicht lang genug zu- rückhalten kann und ziemlich schnell kommt. Wir entsorgen das Kondom. Von draussen klingt das laute Gelächter seiner Kumpels ins Zimmer. Schweissgebadet liegen wir Hand in Hand nebeneinander, starren an die Decke. Eine lästige Fliege surrt mir um den Kopf.
»Das ist besser als surfen!«, flüstert Hite. »Scheiss auf die Welle!«
»Das war also mein Geburtstag«, murmele ich.
»This is not the end«, sagt er gedankenversunken. Wenn er sich da mal nicht irrt!
Aus:
TROPENFIEBER - Geschichten aus der Fremde
(Die Story spielt 1999)
ISBN: 978-3833486692
Zuletzt erschienen m DreckSack Berlin, Ausgabe 2, April 2020