Freitag, 20. Dezember 2013

TANGER 61


 
Einst fuhr ich in einem Ford P2
die Strasse von Gibraltar entlang
es hatte viel Wasser auf der Fahrbahn
keine Ahnung wo das herkam
eine scheinbar unendliche Odyssee
auf der ich schliesslich
in einer Stadt landete
mit weissen Häusern
und Sandsteintreppen
die geradewegs in den Himmel führten
so stahlblau und klar
dass er mir wie Messer in die Augen stach
 
"Das ist Tandscha"
sagte ein seltsamer dünner Typ geheimnisvoll
ein Morphinist
der sich kaum artikulieren konnte
und seine Frau erschossen hatte
wie man mir später flüsterte
er stellte sich mir als Lustsucher vor
 
gegen Drei traf sich William, wie er hiess
mit Allen, Peter, Gregory, Jack und Timothy
zum verspäteten Lunch
naked, versteht sich
einer vollgedröhnter als der andere
 
sie waren Steppenwölfe ohne Steppe und
ohne wirkliche Wolfsnatur
trotzdem unbändig und wild
einsam
heimatlos
schwebend zwischen Geist und Trieb
auf der Flucht vor der
kleinbürgerlichen Harmonie
und intellektueller Begrenztheit
 
meistens waren sie traurig
und wenn sie mal glücklich waren
sehnten sie sich nach dem Unglück
nie hielten sich Glück und Leid die Waage
mit jeder neuen blauen Stunde
begriffen sie das Leben
zunehmend als sinnlos
trotzdem hatten sie etwas Unentschlossenes
 
über einem Meer der Schwere
schwamm ein flüchtiger Traum aus Leichtigkeit
und die glühendheisse Sonne Marokkos
zerfrass ihre Opium-Hirne
die wie Brandung an die Klippen schlugen
wie vom Wind angetriebene
sich überstürzende Wellen
auf Untiefen und Küsten treffen
 
sie waren unbeugsam
getrieben von der Sehnsucht nach Leben
in diesen Tagen in Tanger
doch die Freiheit war letztlich
nur im Tod zu finden
 
 
Bild-Source: artvalue.com

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