Montag, 31. August 2015

Abendgedanken



Der
See liegt still im Abendrot
wie eine Mondsüchtige sitze ich am Ufer
ein Missgeschick jagt das nächste
ich werfe mich dem Leben zu Füβen
bin bereit für die groβe Metamorphose
trotzdem geht alles immer
irgendwie so weiter wie bisher
mir ist nicht entgangen
dass ich den Gegenstand meiner Suche
niemals finden werde
dennoch gebe ich die Suche nie auf
denn bei der Abwesenheit des einen
verkümmert auch das andere
man muss der Kleinmütigkeit ein Ende setzen
und man darf die Suche
nach der Einheit von Schönheit und Wahrheit
niemals aufgeben
alles andere
spielt dem Tod nur in die Hände

(Foto: Balaton, Juli 2015)

Samstag, 29. August 2015

Umsonst bemüht



Die
Statue von Béla Bartók
erinnerte mich an mein Kindheitstrauma:
Etüden   Etüden   Etüden
egal welches Kind
egal in welchem Land
egal mit welchem Instrument
an Bartóks Scheiβetüden
war kein Vorbeikommen
ich kenne keinen
der das nicht gehasst hätte
vielleicht bilden sie ja den Grundstein
für groβe Musikerkarrieren
bei mir ist da allerdings
gründlich was in die Hose gegangen

(Foto: Siofok, Juli 2015)

Mittwoch, 26. August 2015

Unterwegs sein



Im

Zug hinter Budapest

weitet sich das Land

Stromkabel

von einem Ende des Horizonts

zum anderen

die Fenster sind weit geöffnet

der Kopf im Fahrtwind

zerzaustes Haar

zerzauste Gedanken

Geruch von Teer

und Zuversicht

reisen wie in alten Tagen

zum Rhythmus der alten Lok

die sich wie ein Tier

behäbig über glänzende Gleise schiebt

und übermütig über Weichen hüpft

Pfirsichgärten und Ziegeldächer

abgeblätterte Fassaden

alles fliegt vorbei

ein innerer und ein äusserer Film

Kornfelder in Schieflage

vom letzten Gewitter

der Schaffner kritzelt

seine Initialen auf die Fahrkarte

als würde er Autogramme verteilen

ich stehe im erfrischenden Luftzug

Kinder winken hinter Zäunen

Licht, das sie lieblich umschmeichelt

unterwegs sein ist alles

wenn dich etwas bewegt

bewegt sich auch etwas in dir

schöne Stunden der Rückbesinnung

des Schweigens

im Rhythmus des Zuges

versuche ich dem Ur-Rhythmus

näherzukommen

Schlüssel zu meinem Wesen

Rechtfertigung für mein Leben

R.‘s Körper wirft Schatten

in dem ich mich ausruhe

die Welt öffnet sich

und wie mit einem Schmetterlingsrüssel

sauge ich das Leben ein

(Foto: Auf der Strecke Budapest-Siofok, Juli 2015)