Letzten Samstag erlebte ich mit dem „Die Schutzbefohlenen-Marathon“
durch sechs Zürcher Spielstätten einen Theaterabend, der nicht so schnell in
Vergessenheit gerät. Eigentlich sollte an dieser Stelle eine Kritik zu den
jeweiligen Inszenierungen kommen. Da aber manche Dinge unvorhersehbar sind,
gibt es stattdessen eine kleine Abrechnung.
Denn als wir an der Roten Fabrik,
der letzten Station des Parcours, ankamen, war ebendiese von einem Trupp
Autonomer besetzt worden. Der Caravan
against the Camp System hatte sich mal eben spontan im Clubraum der Fabrik
eingenistet und den dort geplanten Poetry-Slam boykottiert und vertrieben.
Zu Fuss liefen offenbar rund 20-30 Autonome inklusive
Kleinkinder (die genaue Anzahl war nicht eruierbar, da kaum unterscheidbar von einigen Mitgliedern
der Rote-Fabrik-Crew und Besuchern) von Kemptthal im Kanton Zürich von Lager zu Lager, von
Bunker zu Bunker, in denen Geflüchtete, wie es heisst „interniert“ sind, um
sich mit eben diesen solidarisch zu zeigen und deren Isolation zu durchbrechen
(vorläufige Endstation die Rote Fabrik). So weit so gut.
Statt über, mit Flüchtlingen reden, so die Parole (das Pamphlet
ein A4-Text auf Englisch, der irgendwo unbemerkt auf einem Tisch herumlag.)
Schön. Nur wollte dann weder einer der Autonomen, noch einer der Handvoll Flüchtlinge
(ausschliesslich junge Männer), die Erstere vor- und mitführten, mit uns reden.
Stattdessen wurden wir – viele von uns sind selbst in
der Roten Fabrik kreativ tätig (meist ziemlich brotlos) –
als dekadentes Bildungsbürgertum beschimpft (und weiter, O-Ton einer ziemlich
aggressiven Autonomen: mit solchen wie Euch rede ich doch nicht; wie Du schon
aussiehst, ist ja alles klar; du hast mich doch angefickt; ich gebe dir doch
nicht meinen Namen und wer du bist, interessiert mich nicht usw.). Kurz: Ein
Dialog kam nicht zustande. Stattdessen schmissen besagte Geflüchtete die
mitgeführten Boxen an und sich schon mal subtil an junge Theaterbesucherinnen ran,
während sich das Autonomen-Bataillon gemütlich am Boden sitzend eine Tüte reinzog.
Es
stellte sich die Frage: Warum ausgerechnet die Rote Fabrik? Wo man nur auf
tendenziell Gleichgesinnte (Alternative, Linke, Kunstschaffende) trifft, die die Besetzer ohne Widerstand freundlich empfingen
und aufnahmen (als Gegenleistung wurden gleich mal die Zigaretten- und
Kaugummiapparate demoliert), grosszügig den Clubraum räumten, das Kulturprogramm
spontan umschmissen und alle Besetzer mit gratis Essen versorgte? In der
Roten Fabrik wurde in den letzten Wochen übrigens, vornehmlich mit Menschen aus
Syrien, sogar gekocht, Oud und Saz gespielt, getanzt und über Olivenanbau
debattiert.
Ist man in der autonomen Szene zu feige oder zu faul? Womöglich
beides? Geht man jeglicher Konfrontation aus dem Wege, also den Weg des
geringsten Widerstands? Wenn man böse wäre, könnte man sagen, im Grunde wäre es aus ihrer Sicht nachhaltiger gewesen, das Bundeshaus zu besetzen oder zumindest den Pfauen, um, wie sie schreiben, ein Zeichen, zu setzen. Ja, wenn man einen Plan gehabt hätte und wirklich ein
Sendungsbewusstsein. War wohl aber eher nicht der Fall. Stattdessen schien man
sich innerhalb der Gruppe sogar nicht mal einig über ein weiteres Vorgehen.
Selbiges blieb dann auch komplett aus. „Wir haben einen Platz gebraucht und den
haben wir ja jetzt“, hiess es lapidar. Da ich aber eine Bundeshaus-Besetzung nicht ernsthaft vorschlagen will oder gutheisse, schlage ich stattdessen vor zur Abwechslung mal arbeiten zu gehen.
Auch auf das Angebot der Roten Fabrik im Zuge der
geforderten Integration und Mitredemöglichkeit für die Geflüchteten allen einen
freien Zutritt zu allen Veranstaltungen (die sich übrigens alle kontrovers und
zum Teil sehr kreativ mit dem Flüchtlingsthema auseinandersetzten) zu gewähren,
wurde abgelehnt. Man lümmelte lieber auf dem Platz herum, liess sich das
Gratisessen schmecken und die Leere im Kopf wachsen.
Hier hatten die Flüchtlinge die Chance mit uns zu sprechen, teilzuhaben.
Sie zogen es aber vor auf ihrer Tour de Kanton, junge Künstler bei ihren Wortmeldungen zu behindern und
ein bisschen dummdreist herumzukaspern. Die Autonomen ihrerseits erwiesen sich teilweise
als dialog-verweigernd, desinteressiert und vorurteilsbehaftet.
In ihrem Pamphlet, obwohl der Begriff Pamphlet eigentlich
zu weit gegriffen ist, heisst es: often these events are
dominated by white, male, academics and city experts.
Dann schauen wir mal bei einigen Events des Abends
nach:
Texte, die allen Stücken Zugrunde liegen: Elfride Jelinek
eine Frau, die über Missstände im öffentlichen und politischen Leben der Gesellschaft schreibt
Texte, die allen Stücken Zugrunde liegen: Elfride Jelinek
eine Frau, die über Missstände im öffentlichen und politischen Leben der Gesellschaft schreibt
Stück im Pfauen; Regie: Barbara Frey, eine Frau
Dramaturgie: Amely Joana Haag, eine Frau
Auf der Bühne immerhin 4 Frauen, darunter eine
Chinesin
Stück Gessnerallee: von und mit Alireza Bayram (aus
dem Iran) und Timo Krstin, ok, ein weisser, männlicher Akademiker, kann
passieren
Texte u.a. Lhatso Dotosang, Pasang Sanashika, Giang
Cao, Yangchen Dolma, Junlong Li, Malek Awsi, Schadi Omar, Okyoe Chibunna
Conalius, Hussein Mohammadi, Khalid Ahmed usw.usf. – die
Namen sprechen für sich.
Theater Winkelwiese: von Ivna Žic (eine Frau, in Zagreb
geboren) und Peter Waterhouse (britisch-österreichischer Schriftsteller) plus
das Refugee Protest Camp Vienna (vorwiegend aus dem
Grenzgebiet Pakistan/Afghanistan stammende, protestierende Flüchtlinge). Na da schau her!
inkl. 20 ÜbersetzerInnen in 12 Sprachen, total Beteiligte aus 36 Ländern
inkl. 20 ÜbersetzerInnen in 12 Sprachen, total Beteiligte aus 36 Ländern
Theater Neumarkt: Pär Thörn, elektronischer
Musiker/Autor aus Schweden. Ein Bleichgesicht, ein Mann! Uff, wenigstens kein
Akademiker
3 Konzerte Rote Fabrik: Hauptakteure alles Frauen,
Emigrantinnen aus Slowenien, Bulgarien, Bosnien, Serbien
Exodus: die Hälfte des Duos eine Frau (aus
Dänemark). Allerdings sehr blond. Könnte gegen sie verwendet werden.
Installation:
Claudia Gali, Miranda Kahlert (Frauen)
Konzeptbüro Rote Fabrik: Kyros Kikos, gut, ein Mann,
jaaa weiß, Akademiker jo. Immerhin Grieche. Das gleicht es aus.
Poetry Slam, der der autonomen Versammlung weichen
musste:
Simon Chen
(Fribourg/China)
Amina Abdulkadir (Somalia)
Amina Abdulkadir (Somalia)
Im Pamphlet heisst es auch noch: Rote Fabrik are
often worthwile, they must listen more and talk less. Ja aber wenn Ihr doch
nichts zu sagen habt?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen