Samstag, 24. September 2016

Brief an Max Küng, heute: Damen mit Kleidern in Raubtiermuster





Sehr geehrter Herr Küng

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich habe keinen Schal mit Grosswildkatze verloren. Weder auf der Zweierstrasse noch sonst irgendwo. Ich trage keine Katzen. Jedenfalls nicht um den Hals. Höchstens vom Teppich aufs Parkett, wenn sich ein Exemplar der Gattung Felis silvestris catus, auch gemeine Hauskatze (mit Betonung auf gemein), mit Quasimodo-Buckel, gesträubtem Fell und kontraktierenden Eingeweiden ihres Mageninhalts (Gras, Schaum und Fellknäuel) zu entledigen gedenkt.

Der Theorie Ihrer werten Gattin mag ich nicht ganz zustimmen. Ich denke vielmehr, besagte Fellimitatträgerinnen wollen nicht jagen, sondern erjagt werden. Meine Feldforschungen haben ergeben, dass in Raubtier gehüllte Damen, insofern sie nicht dem horizontalen Gewerbe angehören oder Josephine Baker heissen, tendenziell ihre besten Jahre und Körperformen bereits hinter sich gelassen haben und nun mit auffälliger Befellung oder auch in schrillem Federkleid die Aufmerksamkeit paarungswilliger Männer auf sich ziehen wollen.

In den seltensten Fällen ist dieses Balzgehabe von Erfolg gekrönt. Denn die Männchen ihrerseits, egal in welchem (fortgeschrittenen) Alter, haben wenig übrig für abgehangenes Raubtierfleisch. Sie bevorzugen flinkes, wendig-williges, glatt-und seidenbefelltes Jungwild, nicht selten knapp der Kinderstube entsprungen. Mit Katzen kann der gemeine Mann (lat. hominis) generell wenig anfangen. Sind sie doch selten einem Herrchen hörig, gelten als nahezu undressierbar und setzen in der Regel ihren eigenen Dickkopf erfolgreich durch. So gesehen betrachte ich mich selbst auch als Katze. Getarnt im Speckmantel eines Spanferkels.

Jedenfalls ergibt es in keinem Falle irgendeinen Sinn, sich wie ein Leopard oder Tiger zu kleiden. Es sei denn, man spekuliert auf eine Rolle in Tarzan. Das gilt übrigens gleichermassen für weibliche wie männliche Exemplare. Letztere mimen des Nachts allzu gern den Tiger, am Morgen muss man dann aber leider feststellen, dass über dem Stuhl nur ein Hyänenfell hängt.

In diesem Sinne ein mürrisches Chchch und wenn Sie brav sind ein zufriedenes Grrrschnurrrr und ein scheinbar ergebenes Miau hinterher.




Der Brief war eine Antwort auf Max Küngs Kolumne: https://www.dasmagazin.ch/2016/07/15/liebe-unbekannte-person/ - leider kam keine Antwort zurück.

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