Sehr geehrter Herr Küng
Um es gleich
vorweg zu nehmen: Ich habe keinen Schal mit Grosswildkatze verloren. Weder auf
der Zweierstrasse noch sonst irgendwo. Ich trage keine Katzen. Jedenfalls nicht
um den Hals. Höchstens vom Teppich aufs Parkett, wenn sich ein Exemplar der
Gattung Felis silvestris
catus, auch gemeine Hauskatze (mit Betonung auf gemein), mit Quasimodo-Buckel, gesträubtem Fell und
kontraktierenden Eingeweiden ihres Mageninhalts (Gras, Schaum und Fellknäuel)
zu entledigen gedenkt.
Der Theorie
Ihrer werten Gattin mag ich nicht ganz zustimmen. Ich denke vielmehr, besagte
Fellimitatträgerinnen wollen nicht jagen, sondern erjagt werden. Meine
Feldforschungen haben ergeben, dass in Raubtier gehüllte Damen, insofern sie
nicht dem horizontalen Gewerbe angehören oder Josephine Baker heissen,
tendenziell ihre besten Jahre und Körperformen bereits hinter sich gelassen
haben und nun mit auffälliger Befellung oder auch in schrillem Federkleid die
Aufmerksamkeit paarungswilliger Männer auf sich ziehen wollen.
In den
seltensten Fällen ist dieses Balzgehabe von Erfolg gekrönt. Denn die Männchen
ihrerseits, egal in welchem (fortgeschrittenen) Alter, haben wenig übrig für
abgehangenes Raubtierfleisch. Sie bevorzugen flinkes, wendig-williges,
glatt-und seidenbefelltes Jungwild, nicht selten knapp der Kinderstube
entsprungen. Mit Katzen kann der gemeine Mann (lat. hominis) generell wenig anfangen. Sind sie doch selten einem
Herrchen hörig, gelten als nahezu undressierbar und setzen in der Regel ihren
eigenen Dickkopf erfolgreich durch. So gesehen betrachte ich mich selbst auch
als Katze. Getarnt im Speckmantel eines Spanferkels.
Jedenfalls
ergibt es in keinem Falle irgendeinen Sinn, sich wie ein Leopard oder Tiger zu
kleiden. Es sei denn, man spekuliert auf eine Rolle in Tarzan. Das gilt
übrigens gleichermassen für weibliche wie männliche Exemplare. Letztere mimen
des Nachts allzu gern den Tiger, am Morgen muss man dann aber leider
feststellen, dass über dem Stuhl nur ein Hyänenfell hängt.
In diesem Sinne
ein mürrisches Chchch und wenn Sie
brav sind ein zufriedenes Grrrschnurrrr und
ein scheinbar ergebenes Miau
hinterher.
Der Brief war eine Antwort auf Max Küngs Kolumne: https://www.dasmagazin.ch/2016/07/15/liebe-unbekannte-person/ - leider kam keine Antwort zurück.
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