Im Openhand gerate ich an den Tisch von Saranam, Bolko und Suryia. Sie
haben ihre bürgerlichen Namen abgelegt und praktizieren in North Dakota und
Stockholm als Tantra-Lehrer das rote Tantra.
Das rote sei das erotischste aller
Tantra-Richtungen, bei dem es am Ende zwischen Shakti und Shiva zur sexuellen
Vereinigung kommt, erklärt Saranam, lässt dabei seine Hakennase zittern und
wedelt mir mit seinen schwarz gefärbten, schütteren Locken vorm Gesicht herum.
Die drei sind hier an einem Workshop bei irgendeinem indischen Tantra-Meister
zugange, um ihren Horizont zu erweitern und ihre Schüler künftig noch inniger
zu beglücken.
Yoga – ja. Meditation – ja. Tantra – von mir aus. Kopulation mit
dem Meister – nein.
Suryia hat schönes, haselnussbraunes langes Haar und ein hübsches
Babyface mit einem bezaubernden Lächeln.
«Beim Tantra fallen alle Masken», sagt sie, «wir begegnen uns auf
göttlicher Ebene.»
Da kann ich für sie nur hoffen, dass Saranam und Bolko unter ihren
Masken besser aussehen. Sie sind wirklich hässlich und ich könnte gar nicht so
sehr in Trance geraten, um diese Gesichter auszublenden.
Ich bin aufgeschlossen
gegenüber Tantra und halte viel von körperlicher Ekstase auf höherer
Bewusstseinsebene. Die Leute stören halt einfach dabei. Bolko bleckt verzückt
sein Pferdegebiss und balzt Suryia unverblümt an.
«Komm doch auch», sagt Suryia und zum ersten Mal bin ich froh darüber,
direkt am Fluss zu wohnen.
«Ich darf nicht», sage ich, «ich wohne am Assi Ghat. Sex ist da
strengstens untersagt. Ich befinde mich quasi in einem Entsagungs-Retreat.»
«Ohhhh», sagt sie, «das tut mir aber leid», und ich bin drauf und dran,
dieses Bedauern auch für sie auszudrücken. Doch dann denke ich mir, wenn sie
freiwillig mit Pferd und Zwergnase vögeln will, wer bin ich, sie davon
abzuhalten?
Ausschnitt aus Varanasi - Endstation Ganges; das Buch erscheint 2019 im freiraum.verlag
Erste Lesung mit Sound am 20. November 2018 um 20 Uhr im Kultbau in St. Gallen http://www.kultbau.org/?p=1561 - mit von der Partie der grossartige Benedikt Maria Kramer (Augsburg) und der wunderbare Andreas Miedermann (Wien). Kommet, kommet.
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