Sonntag, 6. Januar 2019

KRAMER GEGEN KRAMER oder Würdest du die Cops rufen, wenn ich in deiner Einfahrt mein Portemonnaie verbrenne?


KRAMER GEGEN KRAMER oder Würdest du die Cops rufen, wenn ich in deiner Einfahrt mein Portemonnaie verbrenne?

Mit dem zugleich etwas sperrigen wie einmaligen Titel Würdest du die Cops rufen, wenn ich in deiner Einfahrt mein Portemonnaie verbrenne? hat Benedikt Maria Kramer nach seinem Lyrikdebüt Glücklichsein ist was für Anfänger im Wiener Songdog Verlag einen würdigen Nachfolger herausgebracht. 

Die lyrische Reise ist in fünf Kapitel unterteilt, die mit den für sich selbst sprechenden Titeln Kramer gegen Kramer, Es ist intensiv, Spülstein-Dramen, Austern in Manzanita und Hitparade überschrieben sind.

Kramer schreibt und trinkt und liebt und leidet. Und schreibt, und …

Ich sitze hier mit Tasten unter

meinen Händen und Worten im Anschlag ...

(Kramer gegen Kramer)

Und: Ich habe Angst um meine Seele. 

(Schlechter Film)

Die Kindheit, Mama, Mauern, die Frauen, die Einsamkeit, auch wenn Leute drumherum sind, Alkohol, Italien, die Liebe, der Tod ... und immer wieder Kramer:

Ich bin großartig.

Ich bin großartig.

Stell dir das unendlich wiederholt vor.

(Küchenapotheose)

Oder:

Ich tanze und ich falle

Rotweinlippen soll man küssen

Doch ich bin die Prinzessin

Ich muss nichts müssen.

(Prinzessinenlied)

Und:

Hey, ich trinke und mach mich über dich lustig

und denke tatsächlich, ich hab mehr drauf.

(Fauser - Bukowski - Fauser)

Kramers Kurzdramen spielen in Augsburg, Italien oder Saint Louis/USA, an den Ufern der Lech, Wertach, des Mississippi oder der Lagune von Venedig. Orte, die er wie seine Westentasche kennt, auf deren Beschreibung er aber großzügig und dankenswerterweise verzichtet. Kein kennerhaft-besserwisserischer oder klugscheißerischer Ton. Dafür ist Kramer viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Erfreulicherweise interessiert ihn mehr sein Leiden an der Welt und an sich selbst, als den Leser mit Belanglosigkeiten zu Städtebau und Kulturhistorie oder mit pathetischem Politgeschwafel zuzumüllen.

Was er beschreibt ist wahr(haftig). Mit all seinem Ernst und seiner Kraft reflektiert er über Routinen, über das Elend des Immergleichen und Alltäglichen ob im Café ums Eck, hinterm Tresen in der Haifischbar, bei der Monotonie des Schreibens oder in der Liebe.

Die Leere wird durch Wiederholung gefüllt und so in kurzen Momenten des Glücks überwunden. Kramer wäre gern so wie er ist, auch wenn er zuweilen das Gegenteil behauptet. Es scheint, als säße er, wenn er allein in seiner Küche vor sich hin sinniert, einem Gespenst gegenüber. Ein Gespenst, das sich davon nährt, sich selbst zu zerfleischen, zu fressen und wieder auszuspeien.

«Das Gefühl wird nicht weggehen?»

«Nein», sagt der Therapeut.

(Strangers on the road)

Leichter, wenn auch manchmal ein wenig morbide, geht es im fünften und letzten Kapitel zu. Hier finden sich die Texte zu den Songs, die Kramer für seine Band RABENBAD geschrieben hat, mit der er regelmäßig auftritt. Wie schon in früheren Gedichten beweist er hier, auch wenn er auf Seite 21 das Gegenteil behauptet, dass in seinen Texten durchaus Platz für Ironie ist.

Und die liebe Chrisi

lächelt in einer Tour

Alle denken, sie ist freundlich

dabei lächelt sie nur.

(In der Haifischbar)

Sinnlich sind sie, diese Texte, schmerzhaft, böse und zum Lachen. Ein Lachen, was manchem im Halse stecken bleiben wird. Dann hat es derjenige aber auch verdient.

Kramer zeigt sich mal größenwahnsinnig, mal klein und traurig, auch politisch, mal hart und bedrohlich, dann wieder weiblich, verletzlich, zärtlich. Das alles ist Kramer, der vor allem immer Mensch bleibt. Ein Mensch, bestechend ehrlich, mit all seinen Unzulänglichkeiten und Macken, erfüllt von Sehnsucht und Liebe und letztlich halt meistens doch großartig.

  

Benedikt Maria Kramer
Würdest du die Cops rufen, wenn ich in deiner Einfahrt mein Portemonnaie verbrenne?
Songdog Verlag, Wien




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