Sonntag, 9. Juni 2024

MÄDCHEN

MÄDCHEN

Wie hast du mich gerade genannt, Mädchen? Ich glaube, mein Schwein pfeift. Dir ist hoffentlich klar, dass ich die Gören-Phase seit rund fünfzig Jahren hinter mir habe. Ich bin kein Kind und auch kein Neutrum. Ich bin eine erwachsene Frau, singulär und selbstbestimmt und sicher nicht deine Magd oder dein Girl. Und nein, ich möchte auch nicht Mausi oder Miezi oder Schnucki genannt werden – ich erinnere mich nicht, dass wir je intim waren und selbst dann würde ich andere Begriffe vorziehen. Und wenn wir schon dabei sind, dein Baby kannst du dir dorthin schieben, wo der Rücken seinen Namen ändert. Es wird auch nicht besser, wenn du das -chen durch ein -el ersetzt. Im Gegenteil: Ich erinnere an den Bund Deutscher … gegessen. Bin ich ein Diminutiv? Ich bin nicht klein, ich bin nicht niedlich, und Jungfrau war ich, glaube ich, noch nie. Was sagst du, schon Luther habe den Begriff benutzt? Der hat die Frau auch als Dirne bezeichnet und die Ehelosigkeit für die Frau abgelehnt. Gehilfin statt Gefährtin, keine Referenz also. Was, Tony Marshall hat’s auch schon gesungen? Drauf geschissen: Die schöne Maid hat heute leider keine Zeit für dich. (Und auch kein Foto).

Der Text entstand während eines kurzen Workshops am FI&L-Symposium Feminismus, Intersektionen & Literatur im Literaturhaus Basel 7./8.6.24 zum Thema männlich konnotierte Sprache und welche Begriffe uns persönlich triggern. Noch heute, im Alter von 57 Jahren, werde ich von einigen Männern, oft sind es ältere Autoren, mit einem wohlwollend-grosszügigen, gönnerhaften und herablassenden Ton Mädchen genannt, dem man auf die Schulter klopft, das, welch Erstaunen, denken und schreiben kann.

 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen