MÄDCHEN
Wie hast du mich gerade
genannt, Mädchen? Ich glaube, mein Schwein pfeift. Dir ist hoffentlich klar,
dass ich die Gören-Phase seit rund fünfzig Jahren hinter mir habe. Ich bin kein
Kind und auch kein Neutrum. Ich bin eine erwachsene Frau, singulär und selbstbestimmt
und sicher nicht deine Magd oder dein Girl. Und nein, ich möchte auch nicht
Mausi oder Miezi oder Schnucki genannt werden – ich erinnere mich nicht, dass
wir je intim waren und selbst dann würde ich andere Begriffe vorziehen. Und
wenn wir schon dabei sind, dein Baby kannst du dir dorthin schieben, wo der
Rücken seinen Namen ändert. Es wird auch nicht besser, wenn du das -chen durch
ein -el ersetzt. Im Gegenteil: Ich erinnere an den Bund Deutscher … gegessen.
Bin ich ein Diminutiv? Ich bin nicht klein, ich bin nicht niedlich, und
Jungfrau war ich, glaube ich, noch nie. Was sagst du, schon Luther habe den
Begriff benutzt? Der hat die Frau auch als Dirne bezeichnet und die
Ehelosigkeit für die Frau abgelehnt. Gehilfin statt Gefährtin, keine Referenz also.
Was, Tony Marshall hat’s auch schon gesungen? Drauf geschissen: Die schöne Maid
hat heute leider keine Zeit für dich. (Und auch kein Foto).
Der Text entstand
während eines kurzen Workshops am FI&L-Symposium Feminismus,
Intersektionen & Literatur im Literaturhaus Basel 7./8.6.24 zum Thema
männlich konnotierte Sprache und welche Begriffe uns persönlich triggern. Noch
heute, im Alter von 57 Jahren, werde ich von einigen Männern, oft sind es
ältere Autoren, mit einem wohlwollend-grosszügigen, gönnerhaften und
herablassenden Ton Mädchen genannt, dem man auf die Schulter klopft, das, welch
Erstaunen, denken und schreiben kann.
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