Türkischer
Honig und andere klebrige Angelegenheiten
Letzten
Donnerstag hatte ich einen Anruf von Sunrise, während dem mich eine resolute
Dame ohne Punkt und Komma davon zu überzeugen versuchte, das neue Paket
"Digital-TV/Festnetz/Highspeed-Internet" von Sunrise zu erstehen. Als
sie mal kurz Luft holte, lehnte ich nett und freundlich und dankend ab und
legte auf.
Nichtsdestotrotz
stand am Freitag gegen Zwei ein Sunrise-Mitarbeiter unangemeldet vor meiner
Wohnungstür. Irgendjemand im Haus musste ihn ohne zu fragen, wer zum Teufel da
schon wieder um Einlass bitte, hereingelassen haben. Da stand er nun: jung,
attraktiv, gut gekleidet und charmant. Er faselte in perfektem Hochdeutsch etwas
davon, dass Sunrise neue Kabel verlegt habe und er nun an meiner Kabelbuchse
einen Test durchführen müsse. Buchse und Test, das klang vielversprechend. Die
Falle war gelegt.
"Wenn
das ein Verkaufsgespräch werden soll, dann können wir das sofort abbrechen, ich
bin nicht interessiert", sagte ich. Aber nein! versicherte mir der
Schönling, es gehe wirklich nur um erwähnten Test, nur 3 Minuten. Zwar stutzte ich,
dass so ein Test an der Buchse durchgeführt werden müsse – ging so etwas heute nicht per
Fernwartung vonstatten? – liess ihn aber trotzdem rein. Ein
böser Fehler. Mein junger Freund pflanzte sich sofort auf meine Couch, auf der er
geschlagene 40 Minuten wie Türkischer Honig festklebte.
Er
holte Prospekt um Prospekt heraus und verklickerte mir, warum das, was ich bis
jetzt habe, Scheisse ist und warum ich, würde ich überleben wollen, unbedingt
das Sunrise-Angebot benötige. Dass ich jetzt schon kaum das unsägliche
Fernsehprogramm verkrafte und nicht noch weitere 385 Sender benötigte, ebenso
wenig wie ein Festnetz oder eine noch schnellere Internetverbindung, wollte er
nicht gelten lassen. Zugegeben war er sehr charmant und schmeichelte mir was
das Zeug hielt. Er interessierte sich für meine Kunst, gab sogar vor, ein Bild
erstehen zu wollen und machte mir Komplimente zu meinen Augen, obwohl ich
ungeschminkt, in Schlampenklamotten und wahrscheinlich auch schweisselnd vom
Staubsaugen ziemlich unattraktiv neben ihm hockte. Er erzählte mir aus seinem
Leben und dass er eigentlich Musiker und Innenarchitekt sei. Da fragte ich
mich, wieso er ausgerechnet so einen Scheissjob machte.
"Um
so nette Leute wie Sie kennenzulernen", konterte er. Er zog alle Register
und wähnte sich, als er in seinen Unterlagen nach einem Vertrag kramte, schon
am Ziel. Doch auch wenn es mich all meine vorhandene Restenergie kostete, ich
blieb standhaft. Irgendwann gab der Charmeur auf und machte sich von Dannen.
Restlos
erschöpft legte ich mich aufs Sofa, wurde aber kurze Zeit darauf aus meinem
Powernap jäh durch erneutes Klingeln geweckt. Ich schaute durch den Spion: da
standen zwei Typen im Anzug und läuteten Sturm.
"Sind
Sie von Sunrise?"
"Genau,
woher wussten Sie das?"
"War
zu befürchten, da war aber schon einer da."
"Da
war schon einer da? Wer denn?"
"Ein
attraktiver Türke, aber das hat ihm auch nix genutzt, ich hab nichts
unterschrieben."
"Gut
für uns, dann können Sie ja bei uns..."
"Falsch,
kann ich nicht."
"Aber
wir haben neue Informationen, vor 5 Minuten reinbekommen."
"Ach
was! Und die wären?"
"Wir
müssen nur einen Test machen."
"Getestet
hat der Türke auch schon."
"Na
wunderbar, dann können wir ja gleich zur Sache kommen: Sie bezahlen
jetzt:.......dann bezahlen Sie.....wie Sie sehen, kommen Sie jetzt viel
besser....Sie haben fürs gleiche Geld viel mehr....ist das nicht ein tolles
Geschenk?"
Gefühlte
2 Stunden später:
"Was
für ein Geschenk? Woll'n Sie mich verarschen? Ich sagte bereits Ihrem Kollegen
und ich sage es Ihnen nochmal: Ich will das nicht, ich brauche das nicht und
tschüss."
"Ja
aber, Sie verstehen nicht..."
"Oh
doch, ich verstehe sehr gut."
"Ich
erkläre es Ihnen nochmal: Sie zahlen jetzt....."
"Welchen
Teil von N E I N soll ich Ihnen nochmal erklären?"
"Aber
gute Frau, wenn Sie es doch nicht begreifen!" (offensichtlich hielt das
dicke Frettchen mich für grenzdebil)
"Ich
bin nicht Ihre gute Frau!"
Das
Frettchen verdreht genervt die Augen, sein Begleiter schweigt und grinst leicht
deppert. Zum etwa sechsten Mal kritzelt er auf einem Stück Papier, was ich
jetzt zahle (immer falsch, denn er kennt ja gar nicht meine Gebühren und
Kosten) und was ich dann alles für wunderbare Angebote nutzen darf. Er ist
nicht zu bremsen, ich glaube, er hat schon Schaum vorm Mund, seinem Begleiter
wird es langsam peinlich, er versucht den Übereifrigen von mir wegzuziehen.
"Also
nochmal zum mitschreiben..."
"Ich
schreibe hier nix mit, ich bin auch nicht bekloppt, sowas Renitentes,
Unverschämtes ist mir ja noch nie untergekommen!"
"Aber Sie haben dann Digital Fernsehen."
"Ich habe bereits Digital Fernsehen!"
"Aber nicht richtig." (offensichtlich gibt es auch falsches Digital-Fernsehen, war ich bis dato der Digital-TV-Fälscher-Mafia anheim gefallen?)
"Aber Sie haben dann Digital Fernsehen."
"Ich habe bereits Digital Fernsehen!"
"Aber nicht richtig." (offensichtlich gibt es auch falsches Digital-Fernsehen, war ich bis dato der Digital-TV-Fälscher-Mafia anheim gefallen?)
"Sie
machen das jetzt und dann werden Sie mir dankbar sein."
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"Begreifen
Sie nicht, was wir Ihnen hier offerieren? Sie haben dann auch nur noch eine
Rechnung und nicht mehr so ein Puff!!!!", schreit er schon sichtlich
genervt und aggressiv.
"Ich
habe kein Puff und das ist hier auch kein Puff, aber hier gibt's gleich n' Puff,
wenn ich meine Waffe ziehe!"
Die
Verkäufer-Ratte lacht hysterisch auf, sein Begleiter scheint es mit der Angst
zubekommen, er tritt ein paar Schritte zurück. Sein Blick scheint zu sagen: Lass
uns abhaun, bei der Alten beissen wir auf Granit. Ich für meinen Teil frage
mich, wieso ich mich mit diesen Früchtchen überhaupt abgebe, finde aber langsam
Gefallen an der Posse. Sunrise-Mitarbeiter sind die neuen Zeugen Jehovas. Nur
lästiger. Dem Dicken wachsen kleine Hörner, es riecht schon leicht nach Schwefel.
Er ändert das letzte Mal seine Strategie: "Und,
haben Sie schon ein Valentinsdate?"
"Hab
ich und für das muss ich mich jetzt auch aufhübschen."
"Aber
das ist doch nicht nötig, ist doch perfekt so, wie es ist", schleimt er.
Wenn ihm eine Frau in Putzklamotten mit nassen Haaren als perfekt erscheint,
sind seine Ansprüche ja eher tief angesetzt.
Bevor ihm der Sabber aus dem Mund
tropft, weil er seine eigene Verkaufstaktik so geil findet, beende ich die
Sache schnell: "Kurz
gesagt: seit Sunrise mit den Chinesen paktiert, hat die Qualität signifikant nachgelassen.
Ich bin IT-Journalist, ich weiss, wovon ich rede!" (seine Augenwerden kurz ganz gross, als hätte er sich soeben in einen Koboldmaki verwandelt)
"Und Du, mein Freund und Kupferstecher, gehst nur über meine Leiche mit einem
unterschriebenen Vertrag wieder weg."
"Dann
eben nicht!", sagt das Maki bockig, klappt seine schwarze Mappe zu und trottet
davon.
In
der Hoffnung auf ein bisschen Trost, rufe ich kurz darauf meine Eltern an, um
ihnen von der unheimlichen Sunrise-Heimsuchung zu berichten. Ein ganz böser
Fehler. Während mein Vater mich zehn Minuten abmahnt, dass es da nur eine
Reaktion, nämlich: nein, Schluss, aus, Tür zu! gibt, ruft meine Mutter aus dem
Off, wie blöd und naiv ich eigentlich sei, das seien sicher gar keine
Sunrise-Mitarbeiter gewesen und während der eine auf der Couch sass, habe
sicher ein Komplize die Bude ausgeräumt, mein Geld und die Kreditkarten
entwendet und einen Abdruck des Schlüssels für einen späteren Einbruch gemacht.
"Du
bist ja schlimmer als es die 100-jährige Oma war!", höre ich noch, dann
muss ich erstmal nen Schnaps trinken.
DANKE
SUNRISE! Das nenn' ich Kundenservice.
Update: Sunrise hat sich, nachdem ein abgespeckter Bericht auf PCtipp erschien http://www.pctipp.ch/news/firmen/artikel/wenn-der-sunrise-verkaeufer-zwei-mal-klingelt-70682/ (20'000 Clicks in den ersten Minuten) gemeldet und entschuldigt. Man werde der Sache nachgehen, die Verantwortlichen zu Rede stellen und sich nach einer Besprechung in der Geschäftsleitung, zu denen der Artikel inzwischen auch vorgedrungen sei, wieder bei mir melden. Darauf warte ich noch. Inzwischen ist immerhin ein kleiner Blumenstrauss bei mir eingetroffen.
Update: Sunrise hat sich, nachdem ein abgespeckter Bericht auf PCtipp erschien http://www.pctipp.ch/news/firmen/artikel/wenn-der-sunrise-verkaeufer-zwei-mal-klingelt-70682/ (20'000 Clicks in den ersten Minuten) gemeldet und entschuldigt. Man werde der Sache nachgehen, die Verantwortlichen zu Rede stellen und sich nach einer Besprechung in der Geschäftsleitung, zu denen der Artikel inzwischen auch vorgedrungen sei, wieder bei mir melden. Darauf warte ich noch. Inzwischen ist immerhin ein kleiner Blumenstrauss bei mir eingetroffen.
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