Letzten Freitag hatte ich einen Kontrolltermin beim
Haarspezialisten Professor T. Ich hatte in letzter Zeit ein paar Haare gelassen
und wollte der Sache auf den Grund gehen. Ich wollte nur das Ergebnis der
Haarwurzelanalyse in Erfahrung bringen und dem Herrn Professor mitteilen, dass
ich mich dagegen entschieden habe, die nächsten 40 Jahre meine Kopfhaut mit
einem Mittel zu malträtieren, dessen mögliche schädliche Langzeitwirkungen noch
nicht wirklich erforscht sind und das dafür sorgt, dass bei Abbruch der
Therapie sämtliche neu gesprossenen Haare wieder abgestossen werden. Ich kenne
mich, ich halte nichts jahrelang durch. Das gilt gleichermassen für
Beziehungen, wie für den Gebrauch von Tinkturen
Als ich also T. die Nachricht überbrachte, verdrehte er
kurz die Augen und erlitt dann einen schweren hysterischen Anfall.
Wahrscheinlich hat er durchgerechnet, dass ihm bei einem Preis von 39.50
Franken pro Monat und Packung hochgerechnet auf 40 Jahre 18'960 Franken
zuzüglich der Kosten für die ständigen Kontrolluntersuchungen flöten gehen.
Sicherlich müsste man noch den Einkaufspreis des Medikaments in Abzug bringen,
aber wahrscheinlich stellt Dr. Mabuse
die Tinktur selbst her und nimmt hin und wieder auch ein Schlückchen davon.
Anders kann ich mir nicht erklären, wieso er im Folgenden restlos die Contenance
verlor.
Anstatt die Nachricht wie ein Mann zu nehmen, tickte der
gute Professor komplett aus. Solche Patienten wie mich erkenne er in 5 Sekunden
– ebenso schnell stelle er im Übrigen eine
Diagnose – die alles nur negativ sehen und Angst vor nichts haben, mit dieser Einstellung käme ich nie auf einen grünen Zweig. Aber
lieber Professor, ich sitze bereits auf einem grünen AST und entscheide selbst,
wer den absägt. Nämlich ich.
Der Professor war gar nicht mehr zu beruhigen. Er sei
frustriert über meine Dummheit und meine Migräne und all das Zeug (welches Zeug
eigentlich?) seien eh nur psychischer Natur. Und von Migräne sterbe man
übrigens nicht. Schön. Hatte ich auch nicht vor. Er kenne SOLCHE LEUTE wie
mich, glücklicherweise kämen ihm die nur selten unter, sonst würde er
durchdrehen. "Ja aber tun Sie das nicht gerade?", fragte ich
vorsichtig an. Das brachte ihn erst so richtig in Rage. Ich zweifele seine
Reputation an, er sei weltweit die Koryphäe auf diesem Gebiet und wer ihm nicht
vertraue, hätte ein Problem. Ich fragte mich zwar, wer hier ein Problem hatte,
aber sagte erstmal nichts.
Er starrte in seinen Monitor und hackte wie ein
Besessener auf der Tastatur herum. Wie er gerade sehe, sei ich Journalist, die
würden eh nur unrecherchierten Mist verbreiten. Das Medikament sei seit 30
Jahren auf dem Markt, wäre es schädlich, hätte man es längst von selbigen
genommen. Wahrscheinlich ist er mit dem zweiten Standbein Pharmavertreter. Wäre
übrigens nicht das erste Medikament, das erst vom Markt genommen wurde, nachdem
bleibende Schäden nachgewiesen wurden oder es Tote gab. Obwohl ich davor ja gar
keine Angst hatte, ich hatte schlicht und einfach keinen Bock auf das Zeug.
Zudem bleiben auch Medikamente auf dem Markt, wie
Paracetamol, obwohl es schon seit Jahren besser wirksame (Ibuprofen) gibt, die
auch unschädlicher für die Leber beispielsweise sind. Er lachte hysterisch auf.
Seine Mutter nehme seit 30 Jahren das Haarmittel und täglich 8 (in Worten:
acht!) Paracetamol und erfreue sich bester Gesundheit. Was anzuzweifeln ist,
wahrscheinlich hat sie Glück, dass sie überhaupt noch lebt. Aber vielleicht ist
das ja das Ziel: Langsames dahinsiechen bis zur finalen Leberzirrhose. Immerhin
wäre sie dann eine Leiche mit voller Haarpracht. Was will Frau mehr?
Professor T. ereiferte sich immer weiter, wenn er das schon
höre, ich würde die Kapseln, die er mir auch noch verabreichte, nicht
vertragen. Dabei hatte ich nur gefragt, ob ich das "Plastik", um den
Wirkstoff entfernen und das darin enthaltene Pulver einfach so nehmen könne.
Mit Pulver kenne ich mich einfach besser aus. Er schrie, er glaube es nicht,
was ich hier eigentlich wolle, er verrechne mir die Konsultation nicht (ich bin
gespannt), das Ergebnis der Analyse könne ich dann nachlesen, er habe keine
Lust mir das jetzt mitzuteilen, ich solle auf der Stelle verschwinden und er
wolle mich nie mehr in seiner Praxis sehen. In diesem Punkt zumindest herrschte
Einigkeit zwischen uns.
Sein nächstes Buch, das versicherte er mir mehrfach,
schreibe er zum Thema Der angstbeladene,
renitente Patient, der sich nicht helfen lassen wolle. Zeit zu
intervenieren. Ich machte ihm klar, dass ich weder generell negativ eingestellt
sei, noch ein renitenter Psycho oder ein unbelehrbarer Volldepp, nur weil ich
vielleicht berechtige Zweifel an einem Medikament anmelde und nicht treudoof
dem Grossmeister folge. Schliesslich sei er nicht der erste Arzt, der bei mir
Mist gebaut habe.
Beim Begriff Grossmeister war er kurz davor zu explodieren. Um
ein HAAR wäre er handgreiflich geworden. Ich erwähnte noch, dass seine
cholerisch-aggressive Überreaktion nicht gerade von psychischer Stabilität
zeuge und ich mich frage, wer von uns beiden eine Therapie benötige. Er sei
halt temperamentvoll, entgegnete der verrückte Professor und geleitete mich zur
Tür.