Montag, 11. August 2014

Wenn Dermatologen Amok laufen





Letzten Freitag hatte ich einen Kontrolltermin beim Haarspezialisten Professor T. Ich hatte in letzter Zeit ein paar Haare gelassen und wollte der Sache auf den Grund gehen. Ich wollte nur das Ergebnis der Haarwurzelanalyse in Erfahrung bringen und dem Herrn Professor mitteilen, dass ich mich dagegen entschieden habe, die nächsten 40 Jahre meine Kopfhaut mit einem Mittel zu malträtieren, dessen mögliche schädliche Langzeitwirkungen noch nicht wirklich erforscht sind und das dafür sorgt, dass bei Abbruch der Therapie sämtliche neu gesprossenen Haare wieder abgestossen werden. Ich kenne mich, ich halte nichts jahrelang durch. Das gilt gleichermassen für Beziehungen, wie für den Gebrauch von Tinkturen


Als ich also T. die Nachricht überbrachte, verdrehte er kurz die Augen und erlitt dann einen schweren hysterischen Anfall. Wahrscheinlich hat er durchgerechnet, dass ihm bei einem Preis von 39.50 Franken pro Monat und Packung hochgerechnet auf 40 Jahre 18'960 Franken zuzüglich der Kosten für die ständigen Kontrolluntersuchungen flöten gehen. Sicherlich müsste man noch den Einkaufspreis des Medikaments in Abzug bringen, aber  wahrscheinlich stellt Dr. Mabuse die Tinktur selbst her und nimmt hin und wieder auch ein Schlückchen davon. Anders kann ich mir nicht erklären, wieso er im Folgenden restlos die Contenance verlor.


Anstatt die Nachricht wie ein Mann zu nehmen, tickte der gute Professor komplett aus. Solche Patienten wie mich erkenne er in 5 Sekunden ebenso schnell stelle er im Übrigen eine Diagnose die alles nur negativ sehen und Angst vor nichts haben, mit dieser Einstellung käme ich nie auf einen grünen Zweig. Aber lieber Professor, ich sitze bereits auf einem grünen AST und entscheide selbst, wer den absägt. Nämlich ich. 


Der Professor war gar nicht mehr zu beruhigen. Er sei frustriert über meine Dummheit und meine Migräne und all das Zeug (welches Zeug eigentlich?) seien eh nur psychischer Natur. Und von Migräne sterbe man übrigens nicht. Schön. Hatte ich auch nicht vor. Er kenne SOLCHE LEUTE wie mich, glücklicherweise kämen ihm die nur selten unter, sonst würde er durchdrehen. "Ja aber tun Sie das nicht gerade?", fragte ich vorsichtig an. Das brachte ihn erst so richtig in Rage. Ich zweifele seine Reputation an, er sei weltweit die Koryphäe auf diesem Gebiet und wer ihm nicht vertraue, hätte ein Problem. Ich fragte mich zwar, wer hier ein Problem hatte, aber sagte erstmal nichts. 

Er starrte in seinen Monitor und hackte wie ein Besessener auf der Tastatur herum. Wie er gerade sehe, sei ich Journalist, die würden eh nur unrecherchierten Mist verbreiten. Das Medikament sei seit 30 Jahren auf dem Markt, wäre es schädlich, hätte man es längst von selbigen genommen. Wahrscheinlich ist er mit dem zweiten Standbein Pharmavertreter. Wäre übrigens nicht das erste Medikament, das erst vom Markt genommen wurde, nachdem bleibende Schäden nachgewiesen wurden oder es Tote gab. Obwohl ich davor ja gar keine Angst hatte, ich hatte schlicht und einfach keinen Bock auf das Zeug.



Zudem bleiben auch Medikamente auf dem Markt, wie Paracetamol, obwohl es schon seit Jahren besser wirksame (Ibuprofen) gibt, die auch unschädlicher für die Leber beispielsweise sind. Er lachte hysterisch auf. Seine Mutter nehme seit 30 Jahren das Haarmittel und täglich 8 (in Worten: acht!) Paracetamol und erfreue sich bester Gesundheit. Was anzuzweifeln ist, wahrscheinlich hat sie Glück, dass sie überhaupt noch lebt. Aber vielleicht ist das ja das Ziel: Langsames dahinsiechen bis zur finalen Leberzirrhose. Immerhin wäre sie dann eine Leiche mit voller Haarpracht. Was will Frau mehr?


Professor T. ereiferte sich immer weiter, wenn er das schon höre, ich würde die Kapseln, die er mir auch noch verabreichte, nicht vertragen. Dabei hatte ich nur gefragt, ob ich das "Plastik", um den Wirkstoff entfernen und das darin enthaltene Pulver einfach so nehmen könne. Mit Pulver kenne ich mich einfach besser aus. Er schrie, er glaube es nicht, was ich hier eigentlich wolle, er verrechne mir die Konsultation nicht (ich bin gespannt), das Ergebnis der Analyse könne ich dann nachlesen, er habe keine Lust mir das jetzt mitzuteilen, ich solle auf der Stelle verschwinden und er wolle mich nie mehr in seiner Praxis sehen. In diesem Punkt zumindest herrschte Einigkeit zwischen uns. 


Sein nächstes Buch, das versicherte er mir mehrfach, schreibe er zum Thema Der angstbeladene, renitente Patient, der sich nicht helfen lassen wolle. Zeit zu intervenieren. Ich machte ihm klar, dass ich weder generell negativ eingestellt sei, noch ein renitenter Psycho oder ein unbelehrbarer Volldepp, nur weil ich vielleicht berechtige Zweifel an einem Medikament anmelde und nicht treudoof dem Grossmeister folge. Schliesslich sei er nicht der erste Arzt, der bei mir Mist gebaut habe. 

Beim Begriff Grossmeister war er kurz davor zu explodieren. Um ein HAAR wäre er handgreiflich geworden. Ich erwähnte noch, dass seine cholerisch-aggressive Überreaktion nicht gerade von psychischer Stabilität zeuge und ich mich frage, wer von uns beiden eine Therapie benötige. Er sei halt temperamentvoll, entgegnete der verrückte Professor und geleitete mich zur Tür.  

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