Meister der Leere oder wie Malorni das Glück auch in Turin
nicht fand
Hartmuth Malorny, der schreibende Straßenbahnfahrer,
Sonderreiniger ohne Motivation, U-Bahn-Bukowski des Ruhrgebiets, hat sich mit "Begegnung in Turin" endgültig aus dem Underground herausgeschrieben. Auf Seite
93 schreibt er …, manchmal muss man
runter, um hochzukommen… Malorny scheint die literarische Talsohle
durchschritten zu haben und den Paralympics des Literaturbetriebs entkommen zu
sein.
Wer Saufen-, Ficken-, Nutten-Epigonentum im Sinne der
zahlreichen Bukowski-Nachahmer erwartet, wird in diesem Buch nicht fündig.
Vielmehr wird Malornys Leben oder das seines Protagonisten Malorni (Frauen kamen, nahmen, gingen und
hinterliessen nichts.), was fast auf's Selbe hinauslaufen dürfte, vor uns
entblättert und in lesbare Literatur umgewandelt.
Im Roman passiert nicht wirklich etwas Spektakuläres und
das ist auch das Schöne daran. Malorny skizziert das alltägliche Leben mit all
seinen Unzulänglichkeiten …sie dachte
noch an Sex, hatte ihn aber nicht mehr…bei schlechtem Licht sah sie ganz gut
aus…, seinen Banalitäten, der Langeweile, streckenweisen Sprachlosigkeit …wenn du nichts Originelles zu sagen weißt,
dann sag lieber gar nichts, dachte ich…Und schwieg...und unendliche Leere…die ewige Wiederkehr des Gleichen, dieselbe
Hölle der Einsamkeit.
Die Geschichte plätschert dahin, wie das Leben an sich in
den meisten Fällen auch. Arthur, …eine
unsichtbare Null auf unsichtbarem Hintergrund…der Fachmann für unbedeutende
Dinge…, trifft in Turin auf seine E-Mail-Freundin Sabine…kann man jemanden lieben, wenn das
Hauptinteresse an ihm darin besteht, wie er sich am besten benutzen lässt?
Jeder ist auf seine eigene Art ein schlafloser Eintänzer und zugleich einsam, …was man nicht alles essen könnte, wenn es
nur jemand zubereiten würde…, trotzdem oder gerade deshalb versuchen sie es
miteinander. Und irgendwie bleibt es meist beim Versuch (Streit ist die letzte Option, um Zeit zu füllen…warum, zum Teufel,
konnten wir mit dem Glück nicht umgehen?.
Dass sie trotzdem nicht
aufgeben, spendet für einen kurzen Moment Trost. Natürlich, wer auf dem
Schlachtfeld der Gefühle immer so weitermacht, wie bisher, wird zwangsläufig
scheitern: …Die Logik, mit gleichen
Mitteln stets das gleiche Ergebnis zu erzielen, findet in der Welt der Gefühle
keine Anwendung… Die Beziehung ist marode, wie die alten Leitungen in der
Via Fabrizio. Am Ende bleibt nicht viel: …Wenn
bereits ein Satz ausreicht, um einem den Tag zu versauen, was soll daraus
werden?
Malornys schonungslose Ehrlichkeit macht den Roman
berührend, belustigend und erschreckend zugleich. So wie Arthur Malorni im Buch
zu der Erkenntnis gelangt, die schon Sokrates hatte: Ich weiß, dass ich nichts
weiß, beschleicht den Leser das untrügliche Gefühl, dass auch sein eigener
Horizont begrenzt und das Leben eine Art Warteschleife ist, in der man schläft,
isst, das Klo aufsucht und wenn man Glück hat hin und wieder liebt, an dessen
Ende aber nichts als der Tod zu erwarten ist.
Malorny, immer wieder mit Charles Bukowski verglichen, hat
übrigens mit selbigem so viel zu tun, wie sich Papst Benedikt der XVI. um
Empfängnisverhütung scherte: nichts. Allenfalls lassen sich, schaut man genau
hin, kleine Parallelen zu Pessoa oder Ansätze houellebecqschen Humors
ausmachen. Aber Vergleiche hinken immer. Am Ende ist und bleibt der Roma ein
purer Malorny. Und das ist schließlich der Sinn eines literarischen Stils: Dass
er klar erkennbar seinem Begründer zuzuordnen ist.
"Begegnung in Turin" ist nicht traurig und auch nicht
deprimierend, im Gegenteil: Es ist über weite Strecken durchaus amüsant und
erheiternd. Allenfalls melancholisch und ein wenig ernüchternd, weil alles nur halb so
aufregend und wichtig ist, als es uns
oft erscheint. Man selbst eingeschlossen. …Oft
liegen Glück und Unglück beieinander, gestern der Aristokrat, heute der Depp. Und: Der Mensch sollte dauernd auf dem Sprung zu
irgendetwas sein, weil sein Leben nur begrenzt Sprünge erlaubt…Reue im
Nachhinein ist zwecklos, das Denken im Konjunktiv ebenfalls, wer die Gegenwart
verpasst, ist selber schuld…
"Begegnung in Turin"
Hartmuth Malorny
Hartmuth Malorny
Wiesenburg Verlag
1. Auflage 2015
248 Seiten, Taschenbuch
ISBN 978-3-95632-257-0
Preis: 14,90 €
1. Auflage 2015
248 Seiten, Taschenbuch
ISBN 978-3-95632-257-0
Preis: 14,90 €
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