Es gab Zeiten, in denen
man irgendein Gerät kaufte, seine Software aufspielte und arbeiten
konnte. Ich will ja nicht behaupten, dass früher alles besser war, aber:
Doch. Wenn ich morgens meinen Computer starte, wobei morgens ein sehr dehnbarer Begriff ist, blinkt mich jeden Tag
rechts unten ein blaues Fenster an. Leider wünscht mir da weder jemand einen
schönen Tag, noch wird mir mitgeteilt, dass ich in den Genuss einer
Gehaltserhöhung bei gleichzeitiger Arbeitszeitreduzierung komme.
Im Gegenteil:
Ich werde auf-ge-fordert. Erhalte quasi einen schriftlichen Befehl. Zwar
freundlich, trotzdem bestimmt: Your PC is
ready for Windows 10 upgrade. Soll heissen: Jetzt lad Dir verdammt nochmal
Windows 10 auf Deinen Rechner, sonst lassen wir ihn in Kürze implodieren. Da
erdreistet sich also ein imaginärer Aktualisierer auf penetrante Weise (steter
Tropfen höhlt das Sein) mir mitzuteilen, was meine innersten Bedürfnisse sind.
Windows 10 sicher nicht, das wüsste ich.
Während ich besagtes
Fensterchen routiniert wegklicke und sich irgendetwas anderes selbsttätig auf
den neusten Stand bringt, schalte ich mein Smartphone an, das mir zur
Begrüssung mitteilt, dass14 Updates genehmigt werden müssen. Ich muss gar
nichts. Vor allem nicht, wenn es sich mehrheitlich um Apps handelt, die ich gar
nicht selbst heruntergeladen habe. Nein, die schummeln mir Samsung, Google
& Co. bei jedem Software-Update heimlich und ungefragt unter. Egal, ob ich
sie benötige. Entwickler sind oft weit weg von dem, was Benutzer eigentlich
wollen.
Mit jeder neuen Software-Version wird mir quasi ein „Weihgeschenk“
geliefert. In Form eines trojanischen Pferdes, in dessen Bauch Apps versteckt
sind. Nachts öffnen diese Androiden von innen die Tore und lassen sich selbst
ein. Hinter die Mauern meines Nervenkostüms. Ich bin Troja und werde fallen.
Hinterlistig installieren sie sich auf der Suche nach der Fragmentierung
unwiderruflich, also meist un-deinstallierbar, in meinem Smartphone und
verstopfen die Leitungen für Sinnvolles. Irgendwann ist der Speicherplatz voll
und ich muss mir ein neues Gerät zulegen. Dann wäre das Ziel erreicht.
Oft bin ich auch verwirrt:
Ist das neue Update jetzt sicherheitsrelevant? Werde ich bei Verweigerung von
Viren, Würmern, Trojanern und Hackern heimgesucht oder von meinen Freunden
ausgelacht? Ich habe schon Albträume, in denen ich neben einem veralteten
Smartphone aufwache, dass das letzte Update verpasst hat und mir deshalb mit
Selbstmord droht. Ich date also up. Mitunter ein fataler Fehler, nach dem nicht
selten erstmal gar nichts mehr geht.
Oh! Gerade blitzt eine Nachricht auf: Dieses Update lässt sich leider nicht
verhindern! Na sei’s drum. Hin und wieder bin ich grosszügig und lass den
Systemen ihren Spass.
Allerdings sind Smartphone-Apps
oder Windows nicht die einzigen, die nach täglichen Neufassungen hecheln. Adobe
Acrobat, Java, DivX, OpenOffice, irgendein Programm schreit immer nach einer
Aktualisierung – um sich zu verbessern (hysterisches Lachen aus dem Off), gerne
auch im Namen der Sicherheit. Man könnte meinen, wir seien in Fort Knox tätig.
In der Redaktion begrüssen wir uns schon lange nicht mehr mit Guten Morgen, sondern mit Du musst neu starten.
Selbst mein Sexspielzeig verlangt heutzutage nach einem
Update. Auf Version 6.0.8.1.5.6 Da stellt man doch freiwillig wieder auf
Handbetrieb um, schlimmer können die hausgemachten Upload-Probleme auch nicht
sein.
Was soll das alles? Wenn
ich ein Auto kaufe, dann ist das in der Regel fertig und muss nicht alle zwei
Wochen nachgerüstet werden. Ausgenommen natürlich es handelt sich um einen
VW-Diesel, dessen Manipulations-Software zur Drosselung von Abgasen, durch eine
Manipulations-Software zur Verschleierung der Software zur Drosselung von
Abgasen verbessert werden muss, klar.
Aber normalerweise läuft der Wagen wie geschmiert, wenn er die Fabrik verlassen
hat.
Nicht auszudenken, lägen überall abgestürzte Fahrzeuge in der Gegend
herum, die sich nicht mehr starten lassen, weil die neue Software-Version plötzlich
mit dem Fahrer inkompatibel ist. Kürzlich hörte ich allerdings von jemanden, der am Strassenrand anhalten
musste und nicht mehr weiterfahren konnte, weil der Bordcomputer des
Navigationssystems auf einem Update bestand. Schlechte Aussichten für Fahrer
von Fluchtwagen.
Natürlich,
Sicherheitslücken, Bugs oder sonstige Fehler müssen ausgeräumt und beseitigt werden.
Aber was wäre, wenn die Hersteller das Zeug von Anfang an sicher, fehlerlos und
einigermassen funktionierend liefern würden, statt uns Delta-, Gamma- oder
Beta-Versionen unterzujubeln? Und ja, wir beschleunigen mit unserer
Schneller-höher-weiter-Mentalität das Tempo auch selbst. Ein mehrere Minuten veraltetes System können wir
kaum ertragen. All die Energie, die dabei für
immer in den Weiten des Darknet verschwindet!
Forscher müssten mal
ergründen, wie viel Lebenszeit allein durch das ständige Updaten und
Herumgebastele an all unseren Geräten unwiderruflich verbraten wird. Man könnte
in dieser Zeit gediegen in die Karibik reisen oder Winterschlaf halten. Zum
Beispiel, um die eigenen Systeme auf Vordermann zu bringen, also upzudaten. Allerdings
auf bedeutend lustvollere Art und Weise.
(Erstveröffentlichung in gekürzter Version in Computerworld 6 vom 20. Mai 2016)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen