Jeden Tag im Zug,
Tram und auf der Strasse begegnen mir Leute, die diese Jeans mit Löchern, Schlitzen
und Fetzen tragen. Aus denen knochige oder dicke Knie ragen oder die weisse,
fleischige Schenkel zum Vorschein bringen. Hin und wieder auch ein schönes
Bein, aber das macht die Sache nicht besser.
Abgesehen davon,
dass das für meinen Geschmack beschissen aussieht – Mode hin oder her – frage ich mich, ob sich je einmal einer
von denen Gedanken darüber gemacht hat, wie die Löcher und Schlitze in die Hose
kommen. Ich denke: Nein.
Ich war mal in so
einer Fabrik in Vietnam (es könnte auch eine in Bangladesch, Kambodscha, Laos, Indien,
Nepal … sein). Da sitzen junge Frauen und Männer in schlecht beleuchteten,
miefigen, heissen Fabrikhallen und schneiden und ritzen mit Rasierklingen oder
teppichmesserähnlichem Schneidewerkzeug 12 Stunden am Stück die Schlitze per
Hand höchstpersönlich in die Hosen, die andere Arbeiter/innen vorher zusammengenäht haben.
Ich habe auch
junge Wanderarbeiter gesehen, die an lauten, gefährlichen Maschinen stehen (und
auch gleich daneben schlafen, weil der Arbeitsweg zu weit ist oder sie gar keine
andere Bleibe haben), die sogenannte stonewashed-Hosen mit dem
Sandstrahlverfahren produzieren, was längst verboten ist, aber trotzdem noch
praktiziert wird, obwohl es höchst gesundheitsschädigend ist.
Sie alle machen
das für einen Hungerlohn. Für die Käufer solcher Ware haben sie nur ein verständnisloses Kopfschütteln übrig. Weil sie nicht
begreifen, wieso es Menschen gibt, die Kleidungsstücke tragen wollen, die
defekt oder ausgewaschen sind, nur damit sie alt und gebraucht aussehen. Während
sie, die Textilarbeiter, zu Hause die Hosen ihrer Kinder so lange flicken, bis die ihnen von selbst
vom Körper fallen.
Den Bekleidungskonzernen beizubringen, dass sie ihre Mitarbeiter in Asien oder
anderswo ordentlich bezahlen, mit Sozialleistungen und allem, was dazugehört,
wie menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Sicherheitskontrollen, erwies sich
in der Vergangenheit als schwierig. Ich will nicht sagen unmöglich, aber doch
eher kompliziert.
Ich kann auch verstehen, wenn in unseren Breitengraden Familien
mit Kindern, bei denen die Eltern oder ein Elternteil arbeitslos ist oder
geringverdienend, Sozialhilfeempfänger oder alte Menschen mit mickriger Rente auf günstige Kleidung angewiesen sind. Das sind Umstände, die
es zu ändern gilt, die wohl aber nie ganz auszumerzen sind.
Aber: Nachfrage
bestimmt das Angebot. Und auf derartige Hosen – und auf eine Pseudo-Coolness – zu verzichten, wäre ein kleiner Anfang. Oder
ritzt Euch doch einfach Eure Schlitze fortan selbst in Eure neuen Jeans, wenn
Ihr unbedingt Modesünden aus den 80-ern wieder neu beleben wollt. Allerdings:
Besonders ist nur der, der nicht jeden bekloppten Trend, der angesagt ist, mitmacht. Danke.
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