Montag, 5. August 2019
Zurück aufs Eis - Wie man keinen Roman schreibt
Leseprobe Zurück aufs Eis - Wie man keinen Roman schreibt - Susann Klossek & Hartmuth Malorny
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Sind wir jetzt also schon so weit, dass wir uns über flüchtige Gedärme und Toilettengänge austauschen? »Wenn du eine Figur hast, die es wert ist, geliebt zu werden«, sagte der Schriftsteller John Gardner einst, »dann wird der Leser ihr überall hin folgen.« Ob nun Hartmuth oder seinem Protagonisten auch aufs Dortmunder stille Örtchen? Man weiß es nicht. Schreiben ist leicht, man muss nur die falschen Wörter weglassen. Hat auch irgendeiner gesagt. Mark Twain, glaube ich. Und von dessen Huckleberry Finn stammt ja angeblich die gesamte amerikanische Literatur ab. Will man Hemingway Glauben schenken. Aber der war ja nicht nur Schriftsteller, sondern auch Säufer. Wie Hartmuth. Dem wiederum fehlen bis dato sowohl der Pulitzer- als auch der Literaturnobelpreis. Da muss er einen Zahn zulegen. Ich schreibe hier nur solch böse Sachen, weil Hartmuth mich ausdrücklich um mehr Angriffsfläche, kurz: um mehr Sarkasmus und Ironie gebeten hat. Das kann er haben. Auch wenn ich ein bisschen Angst davor habe, was dann zurückkommt. Während Hartmuth wahrscheinlich schon Feierabend gemacht hat von einer anstrengenden Sonderreinigungsschicht, in der er Ausdrucksformen einer pseudorebellischen Jugend beseitigt hat, hocke ich in der Redaktion und quetsche mir einen Artikel zum Thema IT-Kosten senken ab. Großer Gott, an welcher Stelle meines Lebens ist da was schiefgelaufen? Immerhin habe ich mir mittlerweile besagte App heruntergeladen, um Hartmuths Dokumente jederzeit und überall, Stichwort mobiles Arbeiten, öffnen zu können. Obwohl mir die Prozedur des Herunterladens zutiefst zuwider ist. Wer weiß denn schon, was er sich dabei einfängt? Mahjong spiele ich übrigens auch, aber nur das schwere, in 3D, mit ablaufender Zeit. Wir nennen das hier Recherche. Beim Name Chi fällt mir ein gleichnamiges In-Getränk aus den Neunzigern ein. Chi steht im Daoismus für fließende Lebensenergie. Das einzige, was dieses Gesöff in Fluss brachte, war der Inhalt meines Darms. Womit wir wieder beim Thema wären. Vielleicht sind an uns zwei Proktologen verloren gegangen? Chi ist allerdings auch der zweiundzwanzigste Buchstabe im griechischen Alphabet, eine chinesische Längeneinheit und eben ein Familienname, ein thailändischer Fluss, der Name des Schöpfer- und Himmelsgottes der Ibos in Nigeria, eine italienische Zeitschrift und last but not least die Abkürzung für die ehemalige Chiffrierabteilung des Oberkommandos der Wehrmacht. Großartig, wofür drei simple Buchstaben stehen können.
Heute Morgen, wobei mein Morgen in Hartmuths Verständnis wohl eher so Mittag sein dürfte, bin ich kaum hochgekommen. Das Alter in suboptimaler Verbindung mit meinem Job sorgt regelmäßig dafür, dass ich Mühe habe, aus dem Bett zu kommen. In der Hoffnung, noch etwas vom groß angekündigten Blutmond mitzubekommen, schaute ich verschlafen aus dem Fenster meines Schlafzimmers. Ich wusste, dass es sich dabei um ein sinnloses Unterfangen handelte. Für besagten Blutmond war ich genau drei Stunden zu spät dran. Für den Nachbarn im Haus gegenüber am Balkon in der zweiten Etage nicht. Der scheint dort rund um die Uhr bei jeder Wetterlage zu sitzen, um eine zu rauchen. Wenn sich bei mir etwas bewegt, also beispielsweise die Jalousien, starrt er gedankenversunken zu mir rüber. Leider wird mir immer zu spät bewusst, dass ich nackt schlafe. Wahrscheinlich bin ich in Hausnummer 50 schon als die Exhibitionistin von Haus Nummer 49 bekannt. Aber irgendwie muss man ja der Spießigkeit entgegenwirken. Na, jedenfalls komme ich nicht nur schwer hoch, mir tut auch immer öfter alles weh. Seit geraumer Zeit schmerzen mir beispielsweise die beiden oberen Halswirbel. Zuerst dachte ich, ich hätte mir beim Sex eine Stauchung zugezogen. Allerdings war die Sache so wild nun auch wieder nicht. Da weder etwas eingeklemmt ist, noch die Muskeln tangiert sind, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich Knochenkrebs habe. Alle Anzeichen sprechen dafür. Man könnte mich natürlich auch als Hypochonder bezeichnen, was nicht wirklich abwegig ist. Andererseits: Der beste Diagnostiker ist man selbst. Ich sage nur Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, auch Cupulolithiasis, Endometriose, Pfeiffersches Drüsenfieber. Musste ich alles selbst herausfinden, weil meine Versager- ärzte sich nicht in der Lage dazu fühlten. Der Gynäkologe, ein stark übergewichtiger Grieche, ging Pleite und schaut sich aufgrund seiner Fettleibigkeit die Akropolis mittlerweile von unten an. Mein damaliger Hausarzt ist Perser, der sich darauf fokussiert hat, immer wieder neue Schnell-Diplome in der Kunst der minimalinvasiven Botoxbehandlung zu erstehen. Für richtige Krankheiten waren beide einfach nicht zuständig. Aber kommen wir zurück zum Roman. Wer druckt das Zeug?, ist eine gute Frage. Wer liest den Mist?, eine noch viel bessere. Ich saß mal im Flugzeug hinter einem Manager, der das Wirtschaftsblatt, für das ich schreibe, aus der Tasche zog. Gespannt beobachtete ich ihn, was er wohl bis wohin lesen würde von unseren Artikeln. Das Ergebnis entsprach einerseits meinen Erwartungen, war aber gleichzeitig ein traumatisches Erlebnis, das mir ein für alle Mal sämtliche Illusionen raubte. Er blätterte das Ding einmal durch, überflog zwei Überschriften, die nicht von mir waren, klappte das Magazin wieder zu und warf es auf den Boden, wo es bis zu seinem Ausstieg auch liegen blieb. Der Chefredaktor bemerkte später trocken, er habe schon immer vermutet, dass uns keiner lese. Sinnloser kann ein Tagewerk gar nicht sein. Es stellt sich also generell die Frage, ob wir das mit dem Roman wirklich durchziehen wollen. Hartmuth kann die Früchte seiner Arbeit, wenn er ein Graffiti beseitigt hat, wenigstens gleich ernten: Er hat Platz geschaffen für neue Kunst.
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