Ich war gerade 5
Tage ohne Internet, trotz blinkendem Modem und obwohl mein Laptop eine
Wlan-Verbindung geortet hatte. Das ist generell nicht weiter tragisch, hätte
ich nicht arbeiten und eine Präsentation fertigstellen müssen.
Bevor der Leser
jetzt grübelt, an welchem Provider das gelegen haben könnte. Ich kann Sie
beruhigen, an keinem aus der Schweiz. Ich befinde mich derzeit nämlich in
Varanasi, Indien. Quasi die Aussenstelle meiner helvetischen Redaktorenstelle. Die
Ganz-weit-aussen-Stelle. Derartige IT-Probleme zu lösen wird hier allerdings
ganz anders erledigt als bei uns.
Phase 1 –
Anfragen ignorieren: Es macht keinerlei Sinn, in den ersten 24 Stunden
überhaupt auf irgendwelche Hilfe zu hoffen. Nach dieser Karenzzeit könnten Sie
das Problem ein, zwei Mal beiläufig erwähnen. Der Inder wird dann so tun, als
habe er zugehört und lächelt Sie freundlich an, um Sie in Sicherheit zu wiegen.
Phase 2 –
Nachfragen ignorieren: Nach etwa zwei Tagen, während Sie schon 30 Mal
verzweifelt versucht haben, die Sache selbst zu regeln, indem Sie sinnlose
Tätigkeiten wie Strom/Modem/Laptop an- und ausschalten sowie runterfahren und
neustarten, Kabel und Stecker kontrollieren, Netzwerk zurücksetzen etc. durchgeführt
haben, können Sie nochmal vorsichtig nachfragen.
Wenn Sie das per Mail zu tun
gedenken, wird Ihnen das wenig nutzen. In Indien gilt die einfache Regel:
Willst du auf eine Mail nicht antworten, dann antworte nicht. Im Falle eines
Internetausfalls mach eine Anfrage per Mail sowieso keinen Sinn.
Wenn Sie
meinen, einen potenziell Verantwortlichen erkannt zu haben, sprechen Sie ihn
persönlich an. Er wird Sie vermutlich mit den beschwichtigenden Worten «Yes
mam, wir arbeiten dran» anlügen und hoffen, dass einer der 330 Millionen
Hindu-Götter das Problem schon irgendwann lösen wird. Sollte allerdings Shiva
seine Hand im Spiel haben, ist die Sache gegessen. Wo der Gott der Zerstörung
einmal tätig war, bleibt kein Stein auf dem anderen. Und von neumodischem Kram
wie Internet hält er gar nichts.
Phase 3 –
Hoffnung schüren: Irgendwann wird Ihnen jemand vorübergehend Hoffnung machen,
indem er sich, warum auch immer, nach Ihrem Betriebssystem erkundigt. Wenn Sie
jetzt mit Mac antworten müssen, weil Sie einen Mac haben, war's das. Denn
freundlich aber bestimmt wird man Ihnen mitteilen, dass man im Falle von
Windows in ein, zwei Tagen eventuell einen Techniker hätte aufbieten können,
aber Apple, nein, das sei schwierig. Also unmöglich.
Inzwischen fand ich in den
Strassen von Varanasi ein Schild mit der Aufschrift IT VIEW – a door to get all
IT Solutions. «Hat schon drei Jahre geschlossen», sagt einer, als ich gerade
durchs verdreckte Fenster eine Fachkraft versuche zu erspähen. Die sind
wahrscheinlich alle in der Schweiz und programmieren was das Zeug hält.
Phase 4 – Wunder
geschehen: Wenn Sie schon erwogen haben, aufzugeben und sich in den Ganges zu
stürzen (eine giftige Kloake, Mekka für jeden suizidbereiten Pilger), wird ein
Ihnen bisher unbekannter Mann kommen, mit dem Köpfchen wackeln und einfach das
Modem austauschen, denn: «Yes mam, wir wissen, dass das Modem einen
Wackelkontakt hat, aber wir wollten mal abwarten, ob sich das von selber wieder
gibt.»
Während der internetlosen Zeit habe ich übrigens einen Roman geschrieben
und Gandhis gesammelte Werke aus dem Hinduistischen übersetzt. Draussen fliegt Shiva
auf einem Schwein vorbei und zeigt mir den Mittelfinger.
Namaste.
(Erstveröffentlichung: Computerworld Nr. 6/17)
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