DIE GEMÜTSLAGE
Ich fühle mich heimatlos
entwurzelt
in dieser fremden Behausung
doch im gewohnten Dunstkreis
es ist eben nicht wie Ferien
auch wenn mir das manche weismachen
wollen
ich reise nicht
und erlebe nichts
ich krieg nur Berichte von
Rohrbrüchen
Asbestbelastungen
und Wasserschäden
ich kann nicht arbeiten
ich bin blockiert
mein Leben steckt in Kisten
hinter Abdeckfolie versorgt
ich kann nicht mal weg
weil ich nach der Rückkehr in
Quarantäne müsste
keine Ahnung, wo die sein könnte
also sitze ich aus
meist liege ich
und lausche den News von draussen
C. hat gekündigt wegen (In)differenzen
S. ist auf Kurzarbeit und danach weg
vom Fenster
B. wurde entlassen wegen Renitenz
und M. geht in die Politik
weil er sich langweilt
in seinem überbezahlten Job
ich genehmige mir ein 3-Gänge-Menü
lieber verfress’ ich das letzte Geld
als es irgendeiner Institution in den
Rachen zu stopfen
überall muss ich Zettel mit meinen
Daten ausfüllen
der Beweis, dass das digitale
Zeitalter
noch in weiter Ferne liegt
am Nebentisch drei antiautoritär
erzogene Gören
sie benehmen sich wie freche Schweine
eins heisst Alexa
da ist die Virtuelle Amazon-Trulla ja
noch angenehmer
es juckt mir in der Hand
der blöden Mutter mit der
aufdringlichen Stimme
eine Backpfeife zu geben
Alexa schmeisst alles auf den Boden
das Essen
den Sirup
sich selbst
einfach weil sie Lust drauf hat
der See ist hier am Ufer bereits tief
da wäre sie schnell weg
und nach anfänglichem Aufruhr
kehrte endlich Ruhe ein
und auch mein Wohnproblem
wär’ ein für alle Mal gelöst
ich würde gern ein Wutseminar buchen
doch das verhindern die
Abstandsregeln
Alexa ist stiften gegangen
vielleicht löst sie das Problem
selbst
heldenhaft würde ich sie aus dem
Wasser fischen
Rettung in letzter Sekunde
die Heldin der Roten Fabrik
einst brillierte sie hier auf der
Bühne
jetzt rettet sie Leben von
Kleinkindern
Safeguard Susi
Retterin der Vermehrten
Entartete der Verqueren
Später im Airbnb treffe ich erstmals
einen vom Mittelstock
im weissen Unterhemd und Topf in der
Hand
steht er ratlos in der Küche
er hat ein nettes Gesicht und einen
slavischen Akzent
«Ich bin Adi»
«Susann, freut mich. Adi wie
Aaaaa...?»
«Adolf»
«Ja dann»