Montag, 31. August 2020

NOTIZEN AUS DEM EXIL - PART IX


 

DAS CAFÉ

Drei Businessmen im feinen Zwirn

ziehen über Frauen her

die abnehmen sollten

und nur mal gebürstet gehören

zwei Schweizer und ein Deutscher

wobei Ersterer der Rädelsführer ist

und die anderen zunehmend in sein Gesäss vorrücken

seine dreckige Lache macht dem Joker Konkurrenz

weitere Qualitäten scheint er nicht zu haben

wenn das die neue Elite ist

dann gute Nacht

jetzt fährt ein rotes Cabrio vor

das Schweizerkreuz in den Lack gespritzt

Tag der Patrioten vermutlich

hinten ein Aufkleber der SVP

ZU VIEL IST ZU VIEL!

genau! also schleich di

manchmal schielt der Deutsche zu mir rüber

«Sind wir zu laut?»

«Das auch», sag ich, und: «Euch ist schon klar,

 dass wir Euch alle hören, wir Frauen.»

ein Rockergirl stimmt mit erhobenen Daumen zu

auf ihrem Shirt steht

Follow your fucking dreams, not me!

die Münder der drei selbsternannten Musketiere bewegen sich

aber es ist nichts zu hören

weil die Alarmanlage eines Riesen-SUVs

 im Sekundentakt anschlägt

und jetzt wird einer des Trios

mit Umarmung und Rapperpose verabschiedet

wie toll das doch war

sich mal wieder zu treffen

und kaum ist er weg

zieh’n die anderen über ihn her

als wäre er der letzte Honk

Waschweiber sind nichts dagegen

dann steigt der Deutsche in einen BMW

mit Münchner Kennzeichen

ich denke: typisch

aber er ist gar kein Bayer

trotzdem, dann typisch Mann

irgendwas ist immer typisch

um das Revier zu markieren

das gar nicht seins ist

lässt er den Motor nochmal aufheulen

bevor er, schon siegessicher, den SUV streift

im Alarmgeheul der Protzkarre denke ich nur

 halleluja, was für Wichser

 

 

 

NOTIZEN AUS DEM EXIL - PART VIII


 

DIE BAUSTELLE

Mein Bad – wie nach einem Erdbeben

oder wie ich es mir nach einem Erdbeben vorstelle

Kriegsmetaphern spar ich mir

das wäre dann doch übertrieben

obwohl: so ohne Wasser und Strom

Kühlschrank und Möbel

in Schutt und Asche

und Staub versunken

mit Wasserrohbruch und abgerissenen Fliesen

bevor das Asbest-Sonderräumkommando anmarschierte

wie in einem Flüchtlingslager im Libanon

wobei bei mir ein Ende abzusehen ist

auch wenn sich das zu verzögern scheint

wer so ein echter Abreisser ist

kennt keine Gnade

und ist hart im Nehmen

die Asbestlunge wird’s ihm nicht verdanken

aber das kann mir egal sein

auf meinem Zettel für die Maler

zur Dübel-Erhaltung

hat einer OH MEIN GOTT! gekritzelt

ich fürchte, Gott hat damit nichts zu tun

aber wenn man keine Anordnungen gibt

machen sie, was sie wollen

weil alles scheissegal ist

Vertrauen ist schlecht

und Kontrolle nötig

beim Nachbarn haben sie die Türen zugetackert

bevor er die Bude geräumt hat

vermutlich wird er jetzt zwangsentsorgt

im Keller, den sie für ihn umdekoriert haben

im Briefkasten das Extrablatt der SVP

damit können sie das Loch in der Mauer stopfen

hält sicher hundert Jahre mit der Propagandaschmiere

und wär’ das nicht genug

 sagt Erdoğan, der Komödiant vom Bosporus:

 «Wir sind bereit, Märtyrer zu werden!»

ach! fick dich doch mal selbst statt Ziegen

und Hochwasser im Tessin

und kriminelle Banden in Göteborg

Corona-Gegner auf Schulterschluss mit Nazis

stürmen den Reichstag wie einst die Hitleranhänger

ja seid ihr denn alle verrückt geworden?

und Trump reist nach Kenosha

um die Polizei zu treffen, versteht sich

bei schwarzen Opfern ist er auf beiden Augen blind

Trumps Bruder Robert hat das einzig richtige getan

er ist gestorben

hat sich hingelegt und ist abgetreten

vermutlich konnte er es nicht mehr ertragen

«Wir werden uns wiedersehen», sagt Donald

und ich hoffe das passiert bald

am bestem vor dem 3.11.

gegen das globale Desaster

ist meine Baustelle ein Ort der Harmonie

es ist immer eine Frage des Blickwinkels

 

 

 

Samstag, 29. August 2020

NOTIZEN AUS DEM EXIL - PART VII


 

DER HUND

Bonaparte hatte die Schnauze voll

seine Blase drückte

und sein Herrchen sass bereits beim dritten Bier

"Was ist an Gassi GEHEN misszuverstehen?"

sagte er zu mir und verdrehte seine trüben Augen gen ebensolchen Himmel

"Du hast das Sagen

das darfst du nie vergessen

oder wie sonst ist die lächerliche Bezeichnung Herrchen zu verstehen

Hund - Herrchen

klar, wer hier die Zügel in der Hand hält!"

Bonaparte nickte und rannte los

während Herrchen verdutzt auf sein umgekipptes Helles glotze

 

NOTIZEN AUS DEM EXIL - PART VI

 

DER DREH

Im Exil ist die Kaffeemaschine defekt

ich bin also froh, mal rauszukommen

das Café von Schwulen hatte vor 9 noch zu

gut, dass jenes für Schwule offen war

ich war lange nicht im good old Odeon

und bestellte einen Kaffee creme

die serbokroatische Servicekraft

bereits zur frühen Morgenstunde

ausgesprochen «guter» Laune

brachte ein Tässchen

mit einer Pfütze von Kaffee

die einem Ristretto ähnelte

dazu ein Minikännchen Wasser

dessen Inhalt sie auf die Pfütze kippte

die zu einer laschen Plörre mutierte

wie ich dieses Konzept zu verstehen habe

fragte ich leicht ratlos

«Das ist ein Verlängerter»

«Ach was! Sind wir hier in Wien?»

«Nein, aber wir pflegen die Wiener Kaffeehaustradition»

war mir neu, aber von mir aus

«Und warum steht dann in der Karte Kaffee creme und nicht Verlängerter?»

«Weil keiner weiss, was das ist»

«Was ein Kaffee creme ist, weiss hier aber jeder

und der Verlängerte ist es nicht,

dann hätt’ ich einen grossen Braunen bestellt»

«Bei uns sind alle Kaffees Espresso»

Schaas di ned, sagt ihr Blick

just als mein 4-Minuten-Ei in meinem Schoss landet

Gelbes rinnt meine Schenkel entlang

wenn der Tag schon so anfängt

ist nicht mehr viel zu erwarten

 

Der Werbedreh für die SUVA

ist ein Unfall an sich

der Hauptdarsteller hat nie den gewünschten Gesichtsausdruck

sein Kopf wackelt immer einen Zentimeter zu weit nach links

oder rechts

oder wackelt falsch

der Regisseur ein Meister in Inkonsequenz

der Filmhund kann alles

ausser Befehle ausführen

er bellt, wenn er nicht soll und

schwänzelt, wenn er bellen soll

bald hat er in «In aller Freundschaft»

eine Hauptrolle

vermutlich ist er gedanklich schon in Hollywood

sein Frauchen steht kurz vorm Schlaganfall

unerbittlich brennt die Sonne

die Corona-Massnahmen werden rigoros umschifft

das Fitting fällt aus

und das Steak ist verbrannt

dafür ist der Grillkäse versalzen

dabei ist das Catering im Grunde das A und O

wenn ein Dreh gelingen soll

dürstend warten die Extras in der Statistenecke

aber kaum einer kommt dran

Rolf erzählt von 60 Einsätzen

und ein junger Türke wie Grossdeutschland entstand

er schreibt Geschichte beängstigend neu

und meint, wir merken’s nicht

ich schmore im eigenen Saft

eine Maske gibt es auch nur bedingt

aber ich bin im Grunde froh

nicht unter den Pinsel für alle zu müssen

die Kaffeemaschine streikt

und das Wasser ist alle

dabei ist das Catering das A ...

wie gesagt, so kann das nur ein Scheissfilm werden

ich hoffe, ich bin nicht zu erkennen

auf dem Rasen vom FC Gossau

laufen sich Multikulti-Fussballstatisten einen Wolf

sie wälzen sich im Gras

für authentisch verdreckte Trikots

aber der Rasen ist furztrocken

wie unsere Kehlen

und mein Humor

der mir aber bald abhandenkommen wird

ich kratze Eigelb vom Schuh

ob man das noch essen …

gegen Abend stehle ich ein Sandwich

vom Catering der Crew

denn am Set ist das Catering das …

 

Auf dem Feld DAS FOUL

um dass sich alles dreht

Sanitäterdarsteller in orangenen Westen

«Schau, die Bahre», sagt Urs

und ich hoffe, dass es eine Trage bleibt

obwohl mir langsam auch nach Abgang ist

die Zeit schleicht

eine Trulla mit lächerlichem Hütchen

sagt Stephen Hawkings Theorien

seien alle haltlos

es gibt keine schwarzen Löcher

und ich hoffe doch

dass sich gleich hier eins auftut

und sie verschluckt

 

Silence please, wir drehen!

Attention, Uuuund Action! Und Bääm!

selten so dämliche Anweisungen erhalten

Bääm, was soll das sein? 

der Tag zieht sich

und der Typ mit dem Cowboyhut sitzt seit 7 Stunden bewegungslos auf der Bank in der Sonne

das Schweizerkreuz auf seinem Shirt

brennt sich in seine Brust

er kam noch nicht zum Einsatz

und wird es auch nicht kommen

und zu Hause wartet sein verhaltensgestörter Hund

der hätte sicher zur rechten Zeit gebellt

aber ich sage besser nichts

der Cowboy hat schon leicht Schaum vorm Mund

das Geld, das für solche Spots verbraten wird

wird dann einem Verunfallten abgesprochen

so siegt am Ende mal wieder das Grosskapital

ist die SUVA eigentlich an der Börse?

 

 


NOTIZEN AUS DEM EXIL - PART V


 

DAS STRANDBAD

Das Seebad lässt keine Wünsche offen

für jeden was dabei

für Vegetarianer gleichsam geeignet wie für Wurstfetischisten

Hiltl und Sprüngli und Olma-Wurscht

das Brünnlein plätschert

die Kastanien sind noch grün

noch ist der Sommer nicht verloren

man könne sich hier

ganz einfach einen Sugardaddy angeln

trug man mir zu

das Problem: ich bin selbst schon rezent

gegenwärtig (noch) lebend

aber damit hat sich’s auch schon

 

Dienstag, 25. August 2020

NOTIZEN AUS DEM EXIL - PART IV

 

DER ABEND

Ich komme mir vor wie auf einer dieser Pauschalurlaubsinseln

am Ende der Saison

wenn die meisten Gäste schon abgereist sind

und die Kellner müde vom Sommer

ich sitze im Biergarten

der hier natürlich nicht so heisst

weil die Speisen dann nicht doppelt so teuer sein könnten als anderswo

ich sitze allein an einem Zweiertisch

unter raschelnden Kastanien

starre auf den See

in dem sich bunte Lämpchen spiegeln

und der satt und seiden im Abendlicht liegt

romantischer könnte die Szenerie nicht sein

Kichern auf zwei Uhr

Gläser klirren aneinander

ein Hoch auf das Leben

und den Sommer

Stimmengemurmel unter Corona-Regeln

auf Facebook reissen die Freundschaftsanfragen nicht ab

was wollen die alle von mir?

wenn's drauf an kommt

ist ja doch keiner da

später laufe ich die lange Uferstrasse entlang

die unendlich scheint

der Verkehr rast anonym an mir vorbei

ich haste von Laterne zu Laterne

es wird wieder früher dunkel

und zu kühl ohne Jacke

die Sehnsucht nach schwülen Hitzenächten kommt auf

obwohl wir die vor fünf Tagen noch verflucht haben

das Gebälk im Haus knarrt

die Holzwurmbrigade hat ganze Arbeit geleistet

der einzige Gast

der in meinem Bett auf mich wartet

ist eine Spinne unbestimmten Geschlechts