Sonntag, 23. August 2020

NOTIZEN AUS DEM EXIL - PART I

 

DAS ZIMMER 

Morgen hacken sie meine Wohnung zu Kleinholz

Ich – Vagabund wider Willen

Wegelagerer

Ausquartierte

Ausrangierte

ich sitze in meinem Airbnb

unterm Dach mit Blick auf den See

5,3 Kilometer Luftlinie entfernt

und trotzdem fühle ich mich

wie im fernen Exil

das WLAN ist vorhanden

doch ich kann mich nicht überwinden

das 12-stellige Hieroglyphen-Passwort einzugeben

der angekündigte Fernseher fehlt

nicht, dass man den bräuchte

mit diesem Verblödungsprogramm

und Sommerloch-Wiederholungs-Marathon

aber die Abende werden wie in Varanasi sein

keusch, asketisch und etwas einsam

so in einem Haus mit Gemeinschaftsbad

und lauter seltsamen Fremden unter einem Dach

unten gleiten Stand-up-Paddler vorbei

immerhin keine Leichenteile

wie mitunter im Ganges

zwei Enten scheinen sich zu fragen

was der Scheiss soll

sie lachen

bevor der Enterich auf die… na wenigstens die

draussen lärmender Verkehr

in mir Stille

früher war das andersrum

sollte ich den Ort erkunden

von dem es heisst

da sei NICHTS?

das wäre mehr als man erwarten kann

das Nichts ist das Sein

das Gelände ist abschüssig

der Stuhl, auf dem ich throne

rollt beängstigend rückwärts

ich hoffe mal schwer

keine Metapher für mein Leben!

 

 

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