DIE BEWOHNER
Mein Bürostuhl
dieses ergonomische Ding
als wäre man
mit einer Spreizwindel ausgestattet
dabei ist mein Gestell weit entfernt
von der unreifen Säuglingshüfte
drei Stunden auf dem Foltergerät
und das Gelenk rastete aus
kein Aufstehen
kein Auftreten
zwei Rebellentätigkeiten, denen ich sonst gerne fröne
durch Mark und Bein im Praxistest
wie Rumpelstilzchen auf einem Bein
schaffte ich den Parforceritt aufs Bett
und rastete wieder ein
nicht auszudenken hätte ein
professioneller Entspreizer
Hand und Gerät anlegen müssen
dieses Haus hat seltsame Bewohner
Haus der Spinnen und der Spinner
die wie Geister durchs alte Gebälk schweben
nur anhand der benutzten Dinge
kann man Anwesenheiten ausmachen
das WLAN ist schwach auf der Brust
ganz im Gegensatz zur Chefin
ich frage mich
wie eine junge Ukrainerin
an so ein Haus gekommen ist
eine Schelmin, die in Klischees denkt
unten wohnt der graue Walter
ein lascher Schweizer mit Halbglatze
was er hier will und tut
bleibt unklar
und es interessiert auch keinen
mein direkter Nachbar poltert nachts
im Bad stehen seine Utensilien
Wässerchen für jedes Haut- und Haarproblem
genug für eine ganze Cheerleader-Truppe
ein Muskelprotz mit Tattoos
und metrosexuell gestutzten Brauen
sein Schweizerdeutsch hat einen Akzent
schwer zu eruieren welchen
es mangelt an Vokabular
und schliesslich noch die Mafiafresse
im schwarzen Adidas-Trainingsanzug
erwidert er meinen Gruss mit Schweigen
und einem scharfen Blick
bevor er sich in einen Raum
hinter Milchglas verfügt
was wird in dieser Waschmaschine gewaschen?
im Erdgeschoss leises Wimmern und Quietschen
wie von einem Welpen oder Kleinkind
oder einer Geisel
vermutlich ein Gast
der die Zeche prellen wollte
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