DER ABEND
Ich komme mir vor wie auf einer dieser Pauschalurlaubsinseln
am Ende der Saison
wenn die meisten Gäste schon abgereist sind
und die Kellner müde vom Sommer
ich sitze im Biergarten
der hier natürlich nicht so heisst
weil die Speisen dann nicht doppelt so teuer sein
könnten als anderswo
ich sitze allein an einem Zweiertisch
unter raschelnden Kastanien
starre auf den See
in dem sich bunte Lämpchen spiegeln
und der satt und seiden im Abendlicht liegt
romantischer könnte die Szenerie nicht sein
Kichern auf zwei Uhr
Gläser klirren aneinander
ein Hoch auf das Leben
und den Sommer
Stimmengemurmel unter Corona-Regeln
auf Facebook reissen die Freundschaftsanfragen
nicht ab
was wollen die alle von mir?
wenn's drauf an kommt
ist ja doch keiner da
später laufe ich die lange Uferstrasse entlang
die unendlich scheint
der Verkehr rast anonym an mir vorbei
ich haste von Laterne zu Laterne
es wird wieder früher dunkel
und zu kühl ohne Jacke
die Sehnsucht nach schwülen Hitzenächten kommt auf
obwohl wir die vor fünf Tagen noch verflucht haben
das Gebälk im Haus knarrt
die Holzwurmbrigade hat ganze Arbeit geleistet
der einzige Gast
der in meinem Bett auf mich wartet
ist eine Spinne unbestimmten Geschlechts
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