Früher hat die
Grossmutter den Holzofen angeschmissen, das selbst geschlachtete Karnickel in
die Röhre geschoben, Riesenklösse von Hand geformt und die Sosse mit Mondamin
Fix Sossenbinder verdickt, fertig war das Festtagsmenü.
Heute habe ich eine 80
Quadratmeter grosse Designerküche, in der ich ein Navigationssystem benötige,
um überhaupt den Herd zu finden. 80 Quadratmeter aus dem Grunde, da Herd
(Feuerelement) und Spüle und Kühlschrank (Wasserelement) weit genug voneinander
entfernt sein müssen, um das Chi meiner Küche nicht zu stören. Das sagt
zumindest mein Feng Shui-Küchenberater. Und kochen ist ja nicht einfach nur
Lebensmittel erwärmen. Das sagt mein Mann.
So kam es jedenfalls, dass unsere
Küche jetzt das halbe Haus einnimmt und wir kurzerhand aufs Wohnzimmer
verzichtet haben. Das lag einfach finanziell nicht mehr drin. Soviel dazu, dass
die Küche nach dem Feng Shui-Prinzip für Reichtum steht. Sie kann wohlgemerkt,
muss aber nicht.
Im Prosepkt für
unsere Kühe stand der Werbeslogan: ´Kochen wie die Stars in "Lüthi &
Blanc" - zeige mir deine Küche und ich sage dir, wer du bist.´ Da kann ich
nur hoffen, dass wir uns nicht für das Küchenmodell von Beat Schlatter
entschieden haben. Wer will sich schon auf das Niveau der Servelat-Prominenz
begeben?
Unsere Küche nennt sich jedenfalls "InVetro grifflos" mit
Abschlüssen in furniertem Makasar. Beim Kauf hatte ich verstanden, das Furnier
sei aus Madagaskar. Das fand ich exotisch, man will ja multi-kulti sein. Dem
Namen nach könnte man auch meinen, in unserer Küche würden künstliche
Befruchtungen duchgeführt, aber soweit würden wir dann doch nicht gehen.
Jedenfalls haben wir
heute Gäste und ich koche. Zuerst dachte ich an ein russisches Gericht, denn
die russische Küche ist die einzige auf der Welt, bei der die Speisen unwichtig
sind, solange der Wodkavorrat anhält. Es gibt jetzt aber doch etwas
Asiatisches, wozu habe ich denn sonst den neuen Profi-Wok von Electrolux,
handgeformt von den Frauen mongolischer Steppenkrieger? Einen Wodka - Sto Gramm
- kann ich mir ja trotzdem schonmal gönnen.
In unsere Kocheinheit - ein
Eichenholzmonolith - ist übrigens auch ein Teppan Yaki integriert. Fragen Sie
mich nicht, wozu der gut ist, klingt schwer nach einem Tibetischen
Treckingführer.
Das neue Edelstahl-Kochgeschirr
von Berndes im Bauhaus-Design ist induktionsfähig mit antihaftversiegeltem
verkapselten Spezialboden mit extra dickem Aluminiumkern. Früher hiess das
Topf. Darauf einen kleinen Wodka. Die Induktion beim Herd erfolgt im übrigen
nach demselben Prinzip wie beim Manne: Kennst du einen, kennst du alle.
"Wo ist schon
wieder dieser verdammte Alfredo?", schrei ich.
"Hast du etwa
schon wieder einen neuen Gärtner eingestellt?"
"Nein, das ist
der Kartoffelhalter, den ich als Werbegeschenk zum Sparschäler Toto
dazubekommen habe."
Das Gemüse wurde von
meiner brasilianischen Haushaltshilfe in einem Spezialkurs "Zen und die
Kunst der Gemüsezubereitung" handgeschnitzt. Irgendwie hat sie die Sache
mit dem Zen allerdings etwas zu ernst genommen, im Kochtopf herrscht nämlich
die reine Leere. Sie hat danach übrigens drei Ave Maria gebetet und gekündigt.
Wo war gleich nochmal
der Kühlschrank? Ich setze die Glasnudeln auf und nehme eine Packung
Betti-Bossi-Mischgemüse aus dem Tiefkühler, das muss reichen. Ich schnetzele
das Fleisch mit meinem guten alten Silit Universalhelfer Cut´n Serve. Nun gut,
Pastete wollte ich eigentlich nicht machen, egal, dafür gibt der Flötenkessel
heute La Traviata. Zeit für einen kleinen Wodka.
"Welches
Porzellan wollen wir nehmen Schatz? Das Royal Copenhagen, das Rosenthal classic
oder doch besser das Rosenthal studio line?", fragt mein Mann.
"Ach nimm doch
das Fürstenberg, das passt besser zum Besteck von Goebbels", sag ich.
"Goebel heisst
das Schatz, Goebel.
Na wie auch immer,
zumindest harmoniert es ausgezeichnet mit den Tischasseccoires von
Hutschenreuther und den Gläsern von Robbe & Berking. Und wenn wir Glück
haben auch mit dem Gucci-Kostüm von Herrn Dr. Schweinfurths Gattin.
Jetzt müsste ich
eigentlich mal die Nudeln abgiessen, das Wasser soll ja aus der
Designer-Küchenarmatur "Viola" mit Joystick für die Spüle besonders
magenschonend und umweltgerecht gefiltert herausfliessen. Wenn ich jetzt noch
wüsste, welches Teil die Spüle ist... Egal, die Nudeln sind sowieso schon zu
einem riesigen, glasigen Klumpen verkocht.
Und der Wok ist schneller als ich
mir erträumt habe, jedenfalls ist das Fleisch irgendwie, wie soll ich sagen,
schwarz. Wie war gleich nochmal die Nummer vom Pizzaservice? Hätte ich den Timer Pico angeschaltet, wäre das
nicht passiert, aber Pico ist ja nie da, wenn Frau ihn braucht. Vielleicht kann
ich ja mit Toto das Schlimmste abkratzen...
Mein holder Gatte
versucht sich unterdessen mit unserem neuen Kompakt-Zapfsystem "Perfect
Draft" sein erstes eigenes Pils zu zapfen. Es sieht aus wie eine Urinprobe
und ehrlich gesagt schmeckt es... Da fällt mir ein, dass ich den Wein
dekantieren sollte, doch leider kann ich mit unseren Hightech-Korkenziehern
nicht umgehen. Ich schlage kurzerhand den Flaschenkopf an irgendeiner Edelstahl-Armatur
ab und giesse den Wein durch ein Sieb. Was der Gast nicht weiss...
Und ich bleib heute
sowieso beim Wodka. NA SDAROWJE.
(Erstveröffentlichung in
"Seesicht"-
www.seesichtmagazin.ch)
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