Beim Ausmisten meines Computers und alter Dokumente kamen mir folgender Tatsachen-Notizen für ein Manuskript in die Hände, die ich vor 11 Jahren notierte. Das Vorhaben wurde nicht weiter verfolgt. Schade eigentlich.
Am 19. September 2004
schlug ich die Sonntagszeitung auf, riss eine Anzeige auf Seite 64 heraus und
meldete mich für einen einjährigen Kreativworkshop an. Knapp einen Monat später
sass ich mit elf anderen Frauen auf hellblauen Sesseln und atmete durch mein
Kreuzbein.
"Sagst du uns
jetzt noch, Doreen, was für ein Symbol du Susann zuordnen würdest?"
Doreen seufzt angestrengt, rollt die Augen, dann nuschelt sie: "Naja,
irgendwie so'n Stein würd ich sagen." Den du jetzt gleich an den Kopf
kriegst, sag ich mal.
Gegen 21:47 Uhr trat
ich auf die Strasse und hatte den ersten Arbeitstitel dieses Buches:
Undercover in der
Klapse. Allein unter Irren - ein Erfahrungsbericht
Chronistin des
Schwachsinns
Downtown Zürich
Die Geschichte einer
Mörderin
...Auf meinem Handy eine
SMS: 'Die haben dich im Bahnhof an der Gepäckausgabe entdeckt. Pech.' Die? Der
KGB, die CIA, ehemalige Stasi-Mitarbeite, Men in Black? Die Nachricht wirft
mich aus der Bahn.
Tag 2: Bea hat den Charme
einer Kuh. Mit dem Unterschied, dass eine Kuh noch vergleichsweise attraktiv
und intelligent rüberkommt.
Wir sollen uns alle
mal vorstellen, wir seien eine Prinzessin. Es gelingt mir wirklich nur schwer,
mir die Kuh als... wie auch immer. Auch in bin nicht gerade der Prototyp einer
Princess.
Später: Ich renne durch die
menschenleere Langstrasse, dann durch die Josefstrasse. Da fällt mir ein, dass
ich vor Jahren hier mal einen Freund in einer dieser Absteigen besucht und spontan Sex hatte. Schlechten versteht sich.
Der Freund konnte nichts dafür, er kannte den Mitbewohner, mit dem ich es
trieb, auch nicht. Er war sich nicht einmal sicher, ob es sich überhaupt um
einen Mitbewohner handelte. Wahrscheinlich war er von der Billag, jedenfalls
tauchte er danach nie wieder auf.
Endlich fand ich in
ein kleines Café. An den Tischen sassen einzeln verteilt zwei Schwule und zwei
Albaner. Was sich die einen für mich zu wenig interessierten, taten die anderen
etwas zuviel. Soll er sich doch mal schön gen Mekka setzen, der Albaner, der.
Die Schwester ass biologisches Birchermüesli und trank Grüntee. So ist es
recht. Vielleicht will sie ja auch gleich an meiner Stelle Tag 3 übernehmen,
dachte ich. Will sie nicht, naja, den Versuch wars wert.
Ein
Bin-Laden-Verschnitt verfolgt mich durch den ganzen Hauptbahnhof. "Madame Eva?" Nicht dass ich wüsste, aber vielleicht meint er mein
Alter Ego. Im Tram spielt ein Schifferklavier, auch das noch. Der Song:
"Oh Susanna".
Tag 3. Sie redete und redete
und schien dabei das irrige Gefühl zu haben, zu wissen, wovon.
Acht Monate später: An einem Samstag im
Mai fehlte Katrin. Wir dachten uns zunächst nichts, da sie immer etwas spät
dran war. Doch als sie auch zwei Stunden nach Beginn noch immer nicht
aufgetaucht war, machten wir uns langsam Sorgen. Sorgen wäre eigentlich zuviel
gesagt, vielmehr hofften wir, dass irgendetwas Aussergewöhnliches passiert sein
möge und dass sie nie wieder kommen würde.
Dieses Mal hatte sie
sich nicht die Arme aufgeritzt, sondern das Küchenmesser präzise in ihre
Pulsadern gerammt. Sie hatte alles genauestens kalkuliert: Wie tief die
Schnitte sein müssen, wann sie in etwa bewusstlos werden würde, wie viel Blut
sie verlieren darf, um noch knapp am Leben zu sein, wenn ihre Mutter wie immer
Freitagabend pünktlich von der Arbeit nach Hause kam. Was sie nicht einkalkulierte
war, dass diese sich just in der unsäglichen Nacht von ihrem neuen Verehrer
flachlegen liess. Als sie frisch gevögelt nach Hause kam, war Katrin bereits
tot.
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