Wer etwas auf sich
hält stählt seinen Körper. Die Nachbarin tut es schliesslich auch. Und die
sieht aus wie 42, obwohl sie bereits 43 ist. Sport hält jung und fit, pflegt
sie immer zu sagen, wenn sie morgens gegen Sieben an meinem Haus vorbei joggt.
Dass sie da operativ etwas nachgeholfen hat, wäre eine infame Unterstellung.
Das heisst, ich kann es einfach nicht beweisen.
Jedenfalls ist es
höchste Zeit, dass auch ich etwas tue. Das wurde mir ganz deutlich klar, als
ich mich kürzlich auf der Waage leicht vorbeugen musste, um an meinem Bauch
vorbei mein Gewicht zu erkennen. Als ich die Zahl erblickte, auf der der rote
Zeiger mahnend stand, schnellte mein Puls vor Schreck in die Höhe, als hätte
ich gerade einen Marathonlauf absolviert. Kurz: Ich meldete mich im
Fitnesscenter an und belegte das Programm
Active-Body-Life-Anti-Aging-Lady-Beauty-Fitness. Früher hiess das
Frauenturnriege, man machte ein paar Rumpfbeugen, spielte Völkerball und ging
hinterher auf eine Pizza und ein gepflegtes Bierchen in die Kneipe. Fertig war
die Fitness.
Heute wird zuerst ein halber Tag an einem herumgemessen: Body Mass
Index (uuups), Wassergehalt (aha), Fettgehalt (ach nee, wirklich?) Grösse (was,
doch so klein?), Gewicht (wie, doch sooo viel?!), Oberschenkelnumfang (könnten
Sie nochmal messen?)... Fazit: Ich bestehe in etwa aus 59 Prozent Wasser, 39
Prozent Fett und 2 Prozent irgendetwas, was nicht messbar war. Ich würde mal ganz
spontan auf schlaffe Haut tippen. Eins war klar: Ich bin ein Problemfall.
Deshalb musste ich auch aus Sicherheitsgründen diverse Listen ausfüllen, welche
Krankheiten und schlechte Gewohnheiten meine Verwandten bis zu vier
Generationen zurück so alles hatten. Ich muss doch sehr bitten! Ich kenne ja
nicht einmal die Personen meiner noch lebenden Sippe, woher soll ich dann
wissen, ob mein Ururgrossvater vielleicht unter Skorbut litt oder eine
Säuferleber hatte?!
Als nächstes galt es Unterschriften zu leisten, wer im
Falle meines Todes benachrichtigt werden soll, falls etwas schief geht mit den
Geräten. Oder mit Alfonso. "Alfonso?" fragte ich bereits leicht mit
Angstschweiss benetzt. "Das, meine Liebe, ist Ihr pörsonal Trähner",
sagte die gertenschlanke Fitnesshostess und strich sich ihren ohnehin schon
inexistenten Bauch noch ein wenig glatter. "Er verbringt wahre
Wunder!"
Alfonso kriegte kaum
einen geraden Satz heraus, dafür sah er blendend aus. Und er stellte mir die
Geräte perfekt ein. Als erstes kam das "Ei" oder professionell
ausgedrückt der Hypoxi-Vacuum-Trainer. Der Hypoxi ist ein halbfertiges Fahrrad, verpackt in ein
Überraschungsei, in dem man in eine Art Raumanzug gezwängt, halb liegend -
unbequem liegend, versteht sich - in die Pedale treten muss. In den ersten zwei
Minuten waren mir die Füsse schon komplett eingeschlafen. "Ach! Ihre
Durchblutung funktioniert aber überhaupt nicht!", stöhnte Alsfonso und
verdrehte die Augen. Ja wie auch, wenn einem das ganze Blut in den Kopf strömt!
Unterdessen überprüfte das Gerät meinen Puls, es zeigte Null an, ich war also
bereits tot. Doch zu früh gefreut: Nach vier Minuten aktivierte der Hypoxi das
Vakuum. Um ein Haar hätte mich das Killerei eingesaugt. Nach 30 Minuten war die
Qual vorbei, Alfonso - wie peinlich - mass meinen Schenkelumfang erneut. Schon
0,00287 Millimeter weniger. Es wirkte. Soll der Umfang meiner Schenkel um circa
20 Zentimeter abnehmen, muss ich also nur noch 229´885 Mal ins Ei.
"Jetzt kommt der
Vibrator", rief Alfonso aufgeregt. "Bitte was?", fragte ich
erschrocken und liess vorsichtshalber schnell ein Belastungs-EKG machen.
"Das Powerplate!", lachte Alfonso und zeigte mir lässig eine Übung,
bei der jeder Muskel an seinem perfekten Körper erzittere und vibrierte, dass
man schon beim Zuschauen Kalorien verlor. Dann durfte ich mich schütteln
lassen. Ich hatte die Wahl zwischen static and active excersises. Ich entschied
mich für Letztere, hielt aber nicht mal bis zum Ende der Übung - 30 Sekunden -
aus. Mir war leicht schlecht.
Alfonso legte mich auf die schweissabweisende
Thermoübungsmatte und zeigte mir, wie man gesund atmet. Ich hatte also 39 Jahre
am Leben vorbeigeatmet sozusagen. Ich hyperventiliere. Die Fitnessfee vom
Eingang überreichte mir fröhlich einen Powerdrink. "Damit Deine Electrolyten
wieder in Fahrt kommen". Es schmeckte wie Leitungswasser. Es kostete nur
eine Kleinigkeit mehr. Zum Schluss nötigte mich Alfonso zu zehn Liegestützen.
Ich schaffte einen halben, dann brach ich erschöpft zusammen.
In meinem Keller
steht ein Hometrainier, originalverpackt. Der täte es eigentlich auch. Ich komm
da nur so schlecht ran, weil da die Hanteln, der Stepper, die Yogamatte und der
Chi-Schüttler im Wege stehen.
"Die dreissig
Kilo Übergewicht kriegen wir schon weg", sagte Alfonso Zuversicht
vorstäuschend und tätschelte mir die Hand. "Kann man sich die Geräte auch
nach Hause liefern lassen?", jammerte ich resigniert.
Am Abend sitze ich
mit dem Propekt in der Hand vor dem Telefon und wähle. "Ich möchte einmal
die 234 bestellen", sag ich mit zitternder Stimme. Zehn Minuten später
wird geliefert: Extrascharfes Red Curry von meinem Lieblingsthailänder. ES LEBE
DER SPORT!
(Erstvereröffentlichung in
"Seesicht" - www.seesichtmagazin.ch)
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