Donnerstag, 31. Oktober 2019

Rezension zu Varanasi

Eine kleine, feine neue Rezension zu Varanasi:

Klossek in Höchstform
Hey! Susann Klossek macht alles wieder gerade und echt. Das dachte und denke ich mir, wenn ich „Varanasi“ lese. Dieses Buch ist nichts anderes als der Gegenentwurf zu all den Selbsthilferatgebern und unreflektierten Indienführern. Was Besonderes vielleicht. Klossek macht mit jedem Satz den Sack zu, intellektuell...und verdammt witzig. Und sie versucht nicht auf der Welle zu schwimmen, sondern taucht drunter weg. Manchmal hart an der trivialen Grenze, aber stets stilsicher und immer bösartig. Dafür kann man sie hassen oder auch lieben, wie ich. Ich glaube, es gibt kein unheiligeres Buch über Indiens heiligste Stadt. Schon allein deswegen, sollte man es lesen.

 Sardus Lamm

Montag, 14. Oktober 2019

Ausflug nach Konstanz




Am Freitag fuhr ich für einen Termin von Zürich nach Konstanz. Im Zug war ich umzingelt von potenziellen Einkaufstouristen, die mit leeren Koffern und Einkaufsrollwägelchen bewaffnet ennet der Grenze einen günstigen Wochenendeinkauf erledigen wollten. 

Eingepfercht saß ich zwischen zwei mittelalten Schweizerinnen mit allerlei Taschen und ungeheurem Mittteilungsbedürfnis. Es hätten genauso gut zwei Deutsche oder Vertreter irgendeiner anderen Nation sein können. In diesem Falle waren es halt Schweizerinnen. Sie unterhielten sich über den Attentäter von Halle:

Frau 1: Wo war das gleich wieder, wo der gestern zwei Menschen erschossen hat?

Frau 2: Das war vorgestern. Das war in Zelle.

Frau 1: Ich hab’ gehört, der konnte nur nicht in die Moschee stürmen, weil er Ladehemmungen hatte. Aber sie haben ihn, oder?

Frau 2: Ja, der mutmaßliche Täter. Muuuutmaßlich. Es gab wohl ein Video.

Frau 1: Ach! Hat das jemand gefilmt?

Frau 2: Keine Ahnung.

Frau 1: Wo war der her?

Frau 2: Ich weiss nicht. Syrien oder so.

Mir schwoll unterdessen ein bisschen der Kamm. Am liebsten hätte ich gerufen: Halle, es war in Halle. Das ist kein Gebäude, sondern eine Stadt. 

Und warum sollte ein Syrer eine Moschee angreifen? Das ergibt keinen Sinn. Vor allem, weil es eine Synagoge war. Aber es war ein Düüütscher. Ein Nazi!!! Ein Antisemit. Er hatte leider keine Ladehemmung. Höchstens sein Gewehr. Aber meines Wissens scheiterte er am Türschloss der Synagogeneingangstür. Und er ist auch nicht der mutmaßliche Täter, denn das Video hat er selbst gedreht und da sieht man seine Nazifresse. Doch die beiden waren schon beim nächsten Aufregerthema.

Frau 1: Wie heißt die Göre da aus Stockholm?

Frau 2: Ähm. Mhhh. Ach, Du meinst die 14-Jährige?

Frau 1: Ja. Die ist ja auch nicht konsequent. Die ist doch nach New York mit dem Schiff, weil sie nicht fliegen wollte. Aber Schiff ist doch noch viel schlimmer. 

Frau 2: Nein, deren Boys sind geflogen, deswegen. 

Frau 1: Ach? Deren Boys, aha. Ja. Die Jungen sind halt auch doppelmoralig, wenn sie dann auf den Schulausflug mit dem Flugzeug gehn. 

Ja, Letzteres hat was. Aber die Göre, die im übrigen Greta Thunberg heißt, war nicht auf nem Schulausflug. Und das Schiff war ein Katamaraaaaahan!! Und sie kann auch wenig dafür, wenn die versammelte Journaille und Entourage geflogen ist. Was Scheiße ist, aber nun mal passiert und bis zu einem gewissen Grad unvermeidbar. Ihre Boys waren es aber sicher nicht. Und sie ist sechzehn und nicht vierzehn, Herrgott nochmal! Man kann von ihr halten, was man will. Aber bei den Tatsachen bleiben, ist doch nicht zuviel verlangt ihr dumpfbackigen Schnepfen! 

Aber sie waren schon beim Thema Billigflüge.

Frau 2: Nach Italien haben wir 340 Euro pro Person gezahlt.

Frau 1: Ja, das ist billig.

Frau 2: Billig für den Zug?

Frau 1: Ja, sag ich ja, ziemlich teuer für Zug nach Italien. 

Ähm, wenn ich mal intervenieren...

Nein, durfte ich nicht. Denn sie waren bereits dabei, Veganer durch den Kakao zu zieh’n, die Saftigkeit von Äpfeln anhand deren Farbe zu analysieren und zu debattieren, wie bescheuert sich der Enkel von Therese immer aufführe, hätten halt keine Bildung die Jungen heutzutage. Bitte? 

Frau 2: Ich verstehe nicht, wieso das wie Käse oder Würste aussehen muss. Na, ich bin froh, dass ich den Dreck nicht essen muss. Aber dieses, na, wie heisst das gleich wieder, dieses Geschnetzelte vom Coop…

Frau 1: Tofu?

Frau 2: Nein, dieses Quor oder so, das hab ich gern.

Frau 1: Kenn’ ich nicht. 

Hier erschloss sich mir einiges. Vermutlich haben die beiden ein bisschen zu viel Fleisch gegessen. Roh und blutig. Gammelfleisch mit Antibiotika versetzt. Mit genmanipuliertem Gemüse als Beilage. 

Kurz vor Konstanz konnte ich dann doch nicht mehr an mich halten und hörte mich sagen: 

Wenn ich kurz die Fakten aufzählen dürfte:

Halle-Synagoge-Nazi-Deutscher-standhafte Tür-der Täter steht fest-Greta Thunberg-16 Jahre-Katamaran-auf dem Weg zu den Vereinten Nationen-Journalisten im Flieger…

… und Veganes soll vor allem so schmecken wie. Und neeeiiin, Äpfel sind nicht automatisch saftiger je roter ihre Schale. Gibt es irgendein Thema, von dem ihr dummen Hühner etwas versteht?

Natürlich sagte ich das alles nicht. Oder nur so vor meinem inneren Ohr, ich feiges Weichei.

Eine der beiden wurde später in Konstanz um ein Haar über den Haufen gefahren, weil sie seelenruhig, als Einzige, die Straße bei Rot überquerte. Und zwar zweimal hintereinander, während allen anderen das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand. Ich fragte mich, ob ihr Fast-Tod unter Versuch einer natürlichen Auslese zu verbuchen sei. 

Nach meinem Termin erstand ich im Drogeriemarkt ein paar günstige Kosmetikartikel und Nahrungsergänzungsmittel, die vermutlich wirkungslos bleiben, die ich mir aber bei diesen Preisen einfach nicht entgehen lassen konnte. Dann ging ich zu Karstadt auf die Toilette. Im 2. Stock lief mir mein Exfreund über den Weg.

Er: Gut siehst du aus.

Ich: Alt bist du geworden!

Eine imaginäre Unterhaltung, denn als ich näher dran war, merkte ich, das er’s gar nicht ist.

Ich bekam Hunger und ging zum Hafen: Seit zwei Wochen hatte ich erfolgreich und ohne Mühe auf jegliche Fleisch- und Wurstware verzichtet. Und dann bestellte ich, wie auf Autopilot, zwei Weißwürste. Erst als ich die erste Wurst schon intus hatte, fiel mir das auf. Dazu hatte ich mir ein Schwarzbier gekauft. Die kleinste erhältliche Größe: ein halber Liter!

Als das Glas leer war, fühlten sich meine Glieder an wie Blei. Als sei das kein Schwarzbier, sondern ein halber Liter Eiseninfusion gewesen. Ich war unfähig aufzustehen. Nach einer halben Stunde Ausnüchterung, schleppte ich mich 300 Meter weiter ins nächstgelegene Café und bestellte mir einen Kaffee.

Und dann setzte sich ein Sänger vor uns hin und gab It's a wunderful life von Black (den Interpreten musste ich googeln – tolle digitale Welt, früher hätte man warten müssen, bis er einem wieder einfällt) zum Besten. Ich fühlte mich in die 80-er des letzten Jahrhunderts zurückversetzt. Süße Jugend.

Danach sang er Nothing else matters von Metallica und ich dachte: Genau! Nothing matters. Scheiß doch der Hund drauf. Und dann überlegte ich, ihn später anzusprechen und vielleicht würde eine Freundschaft draus. Oder eine neue Liebe. Ich könnte bei ihm einziehen und mein Wohnungsproblem wäre vor der drohenden Sanierung und zu erwartenden Mieterhöhung gelöst. Doch dann sang er Don't worry, be happy und das war mir nun doch zu optimistisch. Und Sweet Home Alabama ist auch bisschen weit für einen Umzug. 

Ich bin mein Hotel California.

Und der Sänger sah sowieso nicht so dolle aus. Von einer Stimme allein wird man schliesslich nicht satt. Und überhaupt, wieso hielt ich nach einem Mann Ausschau, wo ich doch über jeden, den ich wieder los bin, heilfroh bin? Halleluja. Und ohne Flachs sang er das dann auch und dann war wirklich Zeit ‘n Abgang zu machen. 

Freitag, 4. Oktober 2019

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Ohne Fleiss kein Preis
Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen
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Könntest Du nicht mal schnell was dazu schreiben
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