Freitag, 26. Mai 2017

Wünsche




Ich
wäre gern ein Mathegenie
und glücklich über das absolute Gehör
ich möchte musikalisch improvisieren
und Fremdsprachen über Nacht lernen
eine operntaugliche Stimme wäre toll
oder Auto fahren können wie ein Stuntman
und ein Körper, der Lust auf Marathon hat
oder ein fotografisches Gedächtnis
 wären nicht schlecht
ich kann so viele Dinge
und ich kann sie richtig gut
aber nicht gut genug
um damit den großen Reibach zu machen
alles ist ein Kampf
aber für den Kampf fehlt mir die Lust
ich würde mich gern für die Referate an IT-Konferenzen interessieren
aber ich bin nicht einmal in der Lage
 dabei einzuschlummern
manchmal wär ich gern skrupelloser
aber mir fehlt das Talent fürs lügen
und wäre ich ein Sexsymbol
 ließe sich auf alle genannten Wünsche verzichten

Mittwoch, 24. Mai 2017

Samstag, 20. Mai 2017

STATEMENT DES TAGES


FÜR EINE ARTENVIELFALT



FÜR EINE NEUE ARTENVIELFALT


Um unsere Vogel- und Insektenwelt ist es schlecht bestellt. In den letzten 30 Jahren haben wir rund 80 Prozent aller einheimischen Insekten ausgerottet. Gründe dafür sind unter anderem die auf immer mehr Effizienz ausgerichtete Landwirtschaft, um immer optimiertere Erträge zu erhalten, der Einsatz von Insektiziden und Pflanzenschutzmitteln, die engmaschige Besiedlung, der stark zunehmende Strassenverkehr sowie massive Lichtverschmutzung. All das hat dazu beigetragen, dass in rasantem Tempo die Insekten immer mehr von der Bildfläche verschwinden, ihre Zahl besorgniserregend schrumpft und viele Arten bereits ausgestorben sind. Insekten sind nicht nur schädlich. Sie tragen zu einem gesunden Ökosystem bei.


Insekten sind auch die Hauptnahrungsquelle für Vögel. Auch ihr Schrumpfen ist alarmierend. Viele Arten haben wir in unseren Breitengraden bereits ausgerottet, andere stehen kurz davor wie Kiebitz, Rotmilan, Bläss- und Perlhuhn, Turteltaube, Tafel- und Eiderente, Alpenschneehuhn, Schnepfe, Trappe, Fischuhu, Laufhühnchen, Weidenammer, Steinhuhn, Bartgeier, Steppenadler, Lerche, Eisvogel, Wiesenpieper und viele mehr. Von den rund 200 Brutvogelarten der Schweiz sind mehr als die Hälfte aktuell oder potenziell gefährdet. 14 Vogelarten unseres Landes sind sogar europaweit bedroht, wie die Rote Liste der Vögel Europas zeigt. Zugvögel, die im warmen Süden überwintern, kommen zurück und legen oft schon gar keine Eier mehr, weil sie weder Platz zum Brüten, noch genügend Nahrung finden, um ihre Jungen füttern zu können.


Dramatisch sieht es auch bei den Bienen aus. Durch die neusten Insektizide aus der Gruppe der Neonikotinoide sterben ganze Bienenvölker. In manchen Wintern starben schweizweit mehr als 50 Prozent aller Bienenvölker. Die fleissigen Bestäuber haben es nicht leicht: Fehlendes Nahrungsangebot lässt sie hungern, Pestizide schwächen sie, Krankheiten setzen ihnen zu und fehlende Nistplätze machen sie obdachlos. Wenn es so weitergeht, können wir bald unsere Obstbäume, wie es in den USA und China beispielsweise schon der Fall ist, per Hand bestäuben.

Die Schweizer tun viel für den Umweltschutz, aber immer mit Blickwinkel auf den Menschen und dessen Wohlbefinden. Der Naturschutz, der mindestens genauso wichtig ist, wird dabei leider oft vernachlässigt. Es ist 5 vor 12! Soweit die schlechten Nachrichten.


Und hier die gute: Sie können im Kleinen etwas dagegen tun: Bepflanzen Sie Ihre Balkone mit Blumen, Gräsern und Kräutern. Säen Sie wilde Blumenwiesen, statt zentimetergenau gestutzte Zierrasen. Mähen Sie den Rasen nicht zu oft. Lassen Sie Wildpflanzen (Unkraut) auch mal stehen. Wer sie nicht im Blumenbeet möchte, soll sie zumindest mal am Hausrand und um Bäume herum ein bisschen wuchern und Blüten treiben lassen. Beschneiden Sie nicht permanent jede Hecke, jeden Strauch und Baum. Betreiben Sie urban gardening auf Ihren Flachdächern, praktizieren sie guerilla gardening im öffentlichen Raum und säen oder pflanzen Sie mal zwischen Beton einfach ein paar Blumen oder Kräuter. Schaffen Sie wieder Lebensraum für Insekten und Vögel, denn ohne sie kann der Mensch irgendwann auch nicht mehr existieren. Helfen Sie mit der Natur und sich selbst zuliebe.


Herzlichen Dank

Aktion für Biodiversität

Freitag, 19. Mai 2017

Shiva wird's schon richten


Ich war gerade 5 Tage ohne Internet, trotz blinkendem Modem und obwohl mein Laptop eine Wlan-Verbindung geortet hatte. Das ist generell nicht weiter tragisch, hätte ich nicht arbeiten und eine Präsentation fertigstellen müssen.
Bevor der Leser jetzt grübelt, an welchem Provider das gelegen haben könnte. Ich kann Sie beruhigen, an keinem aus der Schweiz. Ich befinde mich derzeit nämlich in Varanasi, Indien. Quasi die Aussenstelle meiner helvetischen Redaktorenstelle. Die Ganz-weit-aussen-Stelle. Derartige IT-Probleme zu lösen wird hier allerdings ganz anders erledigt als bei uns.

Phase 1 – Anfragen ignorieren: Es macht keinerlei Sinn, in den ersten 24 Stunden überhaupt auf irgendwelche Hilfe zu hoffen. Nach dieser Karenzzeit könnten Sie das Problem ein, zwei Mal beiläufig erwähnen. Der Inder wird dann so tun, als habe er zugehört und lächelt Sie freundlich an, um Sie in Sicherheit zu wiegen.

Phase 2 – Nachfragen ignorieren: Nach etwa zwei Tagen, während Sie schon 30 Mal verzweifelt versucht haben, die Sache selbst zu regeln, indem Sie sinnlose Tätigkeiten wie Strom/Modem/Laptop an- und ausschalten sowie runterfahren und neustarten, Kabel und Stecker kontrollieren, Netzwerk zurücksetzen etc. durchgeführt haben, können Sie nochmal vorsichtig nachfragen.
Wenn Sie das per Mail zu tun gedenken, wird Ihnen das wenig nutzen. In Indien gilt die einfache Regel: Willst du auf eine Mail nicht antworten, dann antworte nicht. Im Falle eines Internetausfalls mach eine Anfrage per Mail sowieso keinen Sinn.
Wenn Sie meinen, einen potenziell Verantwortlichen erkannt zu haben, sprechen Sie ihn persönlich an. Er wird Sie vermutlich mit den beschwichtigenden Worten «Yes mam, wir arbeiten dran» anlügen und hoffen, dass einer der 330 Millionen Hindu-Götter das Problem schon irgendwann lösen wird. Sollte allerdings Shiva seine Hand im Spiel haben, ist die Sache gegessen. Wo der Gott der Zerstörung einmal tätig war, bleibt kein Stein auf dem anderen. Und von neumodischem Kram wie Internet hält er gar nichts.

Phase 3 – Hoffnung schüren: Irgendwann wird Ihnen jemand vorübergehend Hoffnung machen, indem er sich, warum auch immer, nach Ihrem Betriebssystem erkundigt. Wenn Sie jetzt mit Mac antworten müssen, weil Sie einen Mac haben, war's das. Denn freundlich aber bestimmt wird man Ihnen mitteilen, dass man im Falle von Windows in ein, zwei Tagen eventuell einen Techniker hätte aufbieten können, aber Apple, nein, das sei schwierig. Also unmöglich.
Inzwischen fand ich in den Strassen von Varanasi ein Schild mit der Aufschrift IT VIEW – a door to get all IT Solutions. «Hat schon drei Jahre geschlossen», sagt einer, als ich gerade durchs verdreckte Fenster eine Fachkraft versuche zu erspähen. Die sind wahrscheinlich alle in der Schweiz und programmieren was das Zeug hält.

Phase 4 – Wunder geschehen: Wenn Sie schon erwogen haben, aufzugeben und sich in den Ganges zu stürzen (eine giftige Kloake, Mekka für jeden suizidbereiten Pilger), wird ein Ihnen bisher unbekannter Mann kommen, mit dem Köpfchen wackeln und einfach das Modem austauschen, denn: «Yes mam, wir wissen, dass das Modem einen Wackelkontakt hat, aber wir wollten mal abwarten, ob sich das von selber wieder gibt.»
Während der internetlosen Zeit habe ich übrigens einen Roman geschrieben und Gandhis gesammelte Werke aus dem Hinduistischen übersetzt. Draussen fliegt Shiva auf einem Schwein vorbei und zeigt mir den Mittelfinger.
Namaste.
(Erstveröffentlichung: Computerworld Nr. 6/17)

Donnerstag, 18. Mai 2017

Ameisen am Rande des Nervenzusammenbruchs



Ameisen am Rande des Nervenzusammenbruchs

Auf Facebook werde ich immer aufgefordert, über meinen Tag zu berichten. Meistens gibt es da aber nichts von Belang zu erzählen. Zudem ist mir ein großer Teil meiner „Freunde“ nicht bekannt und ich wäre froh, wenn sie ihrerseits ebenfalls auf eine Berichterstattung verzichten würden. Heute allerdings passierten gleich mehrere unvorhergesehene Dinge. Davon will ich im Folgenden erzählen. 

Der Tag begann damit, dass ich etwa zum dritten Mal in meinem Leben verschlafen hatte. Ich wünschte, das wäre mir öfter passiert. Vielen Mitbürgern wären einige unausgeschlafene Morgenmuffel-Stimmungen meinerseits und mir blöde Vorhaltungen ihrerseits erspart geblieben.

Als ich später beim Bäcker meine Brezel zahlen wollte, stellte ich fest, dass ich mein Portemonnaie nicht dabei hatte. Sowohl die holde Bäckerin, als auch der Türke an der Ecke für den Kaffee, ließen mich anschreiben. Offensichtlich wirke ich vertrauensvoll. Das war mir neu.

Danach steckte ich allerdings Ewigkeiten wegen einer Betriebsstörung der Bahnanlage im langen Tunnel vor Zürich fest. Ein Alptraum für jeden Klaustrophobiker. Ich steckte außerdem in meinem Business-Anzug fest, in dessen Inneren sich ein mittelschwerer Schweißausbruch anbahnte. Nach der ersten Durchsage, dass wir auf unbestimmte Zeit im Tunnel verbleiben müssen, wurde es totenstill im Zug. Die Leute zückten ihre Smartphones und schrieben Abschiedsnachrichten. Einige telefonierten. Offensichtlich verstanden ihre Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung nur Bruchstücke, denn mehrfach schallte der Kampfruf "Ich bin im Tunnel, Tuuuuunnel!!!" durch die Gänge.

In einer nächsten Phase kenterten und belagerten die Insassen die Toiletten. Angstschisse vermute ich. Dann wurde es langsam unruhig. Wie Ameisen am Rande des Nervenzusammenbruchs begannen die Leute im Zug hin- und herzulaufen, Gang vor und zurück, treppauf, treppab. Wo sie hinwollten, blieb unklar, raus konnten wir ja nicht. Unter meinem Pony bildeten sich Schweißtropfen, auch ich wollte raus. Vor allem weil mir heiß war und meine neue Schuhe drückten, der Laptop schwer und schwerer wurde und überhaupt: In einem geschlossenen Raum mit vielen Menschen eingesperrt zu sein ist nun einmal widerlich. Einige Männer benahmen sich wie Frauen in einem Almodovar-Film. Es wurde langsam hysterisch. Glücklicherweise setzte sich der Zug irgendwann wieder in Gang. Die technischen Störungen der SBB nehmen langsam deutsche Ausmaße an. Und diese wiederum bekannterweise ja mittlerweile indische. Es geht bergab.

Auf dem Perron am Hauptbahnhof Zürich lag ein Japaner in stabiler Seitenlage, dem gerade so eine goldene Papierdecke übergeworfen wurde. Ich weiß nicht, ob er kollabierte, weil unser Zug, der zum Flughafen fahren sollte, viel zu spät kam oder einfach nur so. Um mal den Zustand des Bahnsteigbodens zu testen. Als ich in die Sihltalbahn eingestiegen war und meine Lieblingslesebrille aufsetzen wollte, zerbrach diese in zwei Teile. Ich könnte es positiv sehen: Ich habe jetzt zwei Monokel. Aber ich bin ja eher der pessimistische Typ. Ich sehe das Glas Wasser weder halb voll, noch halb leer, ich habe gar kein Glas. Ich fragte mich, ob ich heute besser zu Hause geblieben wäre. Am Nachmittag muss ich zum Außenwirtschaftsforum. Ich denke nicht, dass es heute nochmal besser wird.