Sonntag, 8. März 2020

Internationaler Frauentag 2020


Ich grüße alle Frauen. Schluss mit physischer und psychischer Gewalt gegen Frauen!

Auf dass uns auch endlich gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit zuteilwird. Steht auf für gleich viele Frauen wie Männer in Geschäftsetagen, Vorständen, Parlamenten usw. Dass Care-Arbeit (Kinder, Kranke, Alte; putzen, einkaufen, kochen) endlich bezahlt und als Arbeit anerkannt wird und gleich aufgeteilt wird zwischen Mann und Frau. Frauen steht genauso viel Freizeit zu wie Männern, damit sie sich gleichberechtigt erholen und verwirklichen können und weniger an Erkrankungen leiden, die aufgrund von Stress und Überbelastung entstehen. 

Ich grüße alle Frauen und fordere sie auf dafür zu kämpfen, dass bei Produktentwicklung und Design endlich die zweite Hälfte der Menschheit mit einbezogen wird. Für weibliche Crashtest Dummies beim Autobau, damit Frauen bei einem Unfall nicht zu 47% häufiger als Männer schwer verletzt werden und zu 17% öfter sterben. Für Autositze und Kopfstützen, die an weibliche Körper (kleinere Größe, weniger Muskelmasse, dünnere Haut) angepasst sind. Für Gurte, die über Brüste und schwangere Bäuche passen und trotzdem noch sicher sind. 

Für Verkehrs/Infrastrukturentwicklung, die an die Bedürfnisse von Frauen angepasst sind (mehr Care-Arbeit, ergo mehr und andere Wege, größere Nutzung von ÖV; sichere, andere Wege als Männer z.B. nachts.)

Für Arbeitsgeräte (ob in der Landwirtschaft, Industrie oder beim Tablet), die in Frauenhände passen, die der Kraft von Frauen angepasst sind und damit zu weniger Arbeitsunfällen und besserer Produktivität führen.

Für sichere Arbeitskleidung und Uniformen, inkl. schusssicherer Westen, die Frauenkörpern angepasst werden und nicht einfach für kleinere Männer konzipiert sind. Für an anders gebaute Frauenfüße (höherer Spann, andere Achillessehne) passendes, sicheres Arbeitsschuhwerk. Frauen haben auch eine kürzere Schrittlänge, können weniger Lasten tragen, verteilen die Last beim Tragen anders als Männer. Selbst beim Marschieren beim Militär gilt die männliche Norm, was zu schwerwiegenden, gesundheitlichen Problemen bei Frauen führt. 

Für Entwicklungshilfe, die die Frauen bei der Entwicklung, z.B. von gesunden Herden, einbezieht und zwar BEVOR etwas designt wird. Nicht die Frau muss sich an die Technik anpassen, sondern die Technik muss an die wirklichen Bedürfnisse der Benutzerin angepasst werden.

Vergessen wir all die Mädchen und Frauen in all den Ländern nicht, in denen Gleichberechtigung noch gar nicht existiert. All die abgetriebenen oder getötenen Mädchen, in Ländern, in denen das weibliche Geschlecht ein Todesurteil bedeuten kann, wo Frauen weniger wert sind als eine Kuh oder ein Kamel, wo aus traditionellen oder religiösen Gründen Mädchen beschnitten, Frauen vergewaltigt, geschlagen, gefoltert und getötet werden. Wo Mädchen keine Rechte und keinen Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung haben. An Länder, wo die Frau unterdrückt wird und dem Mann Untertanin zu sein hat. 

Ich grüße alle Frauen, schließen wir gemeinsam die Jahrtausende alte Datenlücke, die Frauen in Kunst, Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, bei Erfindungen usw. kontinuierlich ausgeblendet hat und unter den Tisch fallen ließ. Es gab nicht weniger geniale, kluge, kreative Frauen als Männer, man ließ sie nur nicht zu an Universitäten und Forschungszentren und hat sie nicht ernst genommen. Manche bahnbrechende Erfindung/Entdeckung oder manches Kunstwerk von Frauen rissen sich Männer z.T. unter den Nagel und gaben sie als ihre aus. Die Geschichte ist lückenhaft und muss neu geschrieben werden.

Steht auf für gleichberechtigte Erwähnung und Abbildung von Mädchen und Frauen in Kinder-, Schul- und Lehr- und Geschichtsbüchern. Selbst bei Trickfilmen, Comics usw. kommen weibliche Figuren nur zu einem Bruchteil vor. In Film- und Fernsehen ist der Anteil weiblicher Hauptfiguren viel kleiner als jener an männlichen. Frauen haben immer weniger Text. Drehbuchautorinnen, Regisseurinnen usw. werden um ein Vielfaches weniger berücksichtigt bei Förderungen. 

Frauen interessieren sich nicht für IT oder die Nutzung moderner Technologie? Falsch. Doch Videospiele z.B. ignorieren die Bedürfnisse von Frauen rigoros. Avatars sind meist männlich. Inhalte immer vom männlichen Blickwinkel aus konzipiert. Zudem sind sie nicht selten sexistisch/frauenfeindlich. Virtual Reality Brillen/Headsets passen Frauen einfach nicht, sie sind zu groß. Frauen nehmen zudem räumliche Tiefe anders als Männer wahr. Männer richten sich nach der Bewegungsparallaxe, Frauen nach der Oberflächenschattierung. Dreimal dürft Ihr raten, auf welche Weiterentwicklung mehr Wert gelegt wird! Frauen leiden daher viel häufiger unter Kinetose (Reisekrankheit). Wir sind nicht weniger interessiert. Wenn es uns aber schlecht wird oder uns die Brille vom Kopf rutscht bei der Nutzung der Technologie, lassen wir’s bleiben. Wer würde das nicht? Dann ist die Technologie für die Tonne - für mindestens die Hälfte der Nutzer. 

Daten, auf denen Künstliche Intelligenz beruht, sind ebenfalls sehr lückenhaft. Frauen sind daher auch bei vielerlei Software benachteiligt. Ein Beispiel von vielen dafür ist die Sprachsteuerung. Die Systeme sind so programmiert, dass sie männliche, tiefe Stimmen viel besser erkennen. Bei der Bestellung von Ware über Siri mag das noch unproblematisch sein, im Straßenverkehr, bei der schnellen Diagnosefindung, bei Notrufen, digitaler medizinischer Behandlung usw. kann das aber durchaus die Entscheidung über Leben und Tod bedeuten. 

Algorithmen entscheiden auch darüber, wer eingestellt wird oder wer nicht, wer einen Forschungszuschuss bekommt oder nicht, wer ein guter Kunde ist oder nicht, wer eine Wohnung bekommt oder nicht. Und wie sind die programmiert?

Während es in der Sprache bei gendergerechter Benennung, z.B. bei der Berufsbezeichnung, noch mächtig hapert, werden einzelne Begriffe aber gerne genderspezifisch ausgelegt: So gilt der Begriff teamfähig bei einem Mann als Führungsqualität, bei der Frau wird er aber gerne so verstanden, dass sie eher Mitläuferin ist. Männliche Universitätsangestellte werden oft mit den Begriffen herausragend, bemerkenswert und genial beurteilt und damit suggeriert, sie seien intelligenter und leistungsfähiger als ihre Kolleginnen. Professorinnen hingegen wurden viel häufiger als böse, grob, unfair, streng und nervig beurteilt. Sind sie das tatsächlich? Sicher nicht. 

Frauen kämpft für genderbezogene Forschung, vor allem in der Medizin. Die Frau ist kein 1,70 großer und 70 kg schwerer Mann. Diesen Durchschnittstypen als Maß aller Dinge bei der Forschung zu nehmen, kann tödliche Folgen haben. Frauen sind nicht die Abweichung von der Norm oder einfach anders. Frauen sind zu gleichem Anteil ebenfalls die Norm und genauso relevant wie jeder Mann. 

Diese Hälfte der Menschheit hat aber einen anderen, komplexeren Hormonhaushalt. Wir haben einen Zyklus und reagieren daher anders und zyklusbedingt auch innerhalb des Monats anders auf Medikamente. Viele Medikamente wirken zu stark, anders oder gar nicht bei Frauen. Die spezifische Wirkung einer riesigen Zahl an Medikamenten auf Frauen ist schlicht unbekannt. Frauen leiden daher viel häufiger unter Nebenwirkungen und deren Folgen als Männer. Auch Narkosemittel und Chemotherapeutika werden geschlechtsneutral verabreicht und bei Frauen daher nicht selten überdosiert.Frauen haben mehr Fettgewebe, weniger Muskeln, andere Enzyme kommen zum Einsatz, der Darm ist schlanker, verdaut länger, der Stoffwechsel ist langsamer. Medikamente bleiben länger im Körper und wirken anders.
 Ein Herzinfarkt bei Frauen geht fast nie mit den typischen, als Norm festgelegten, Symptomen einher und bleibt daher oft unerkannt. Auch, weil es oft nicht interessiert. Die Folge: Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen. Auch Diagnose- und Heilungsverfahren sind auf den Mann abgestimmt. Unsere Symptome sind nicht atypisch. Sie sind geschlechtspezifisch anders.

Wir haben eine kleinere Leber, die Medikamente (oder Alkohol) anders und langsamer abbaut. Wir sind bis in die Zellstruktur anders. Medikamente wurden oder werden noch fast immer an Männern getestet. Geforscht wird fast immer mit männlichen Zellen (oder männlichen Tieren). Führt eine Studie mit diesen Zellen/Tieren zu keinem Ergebnis, wird sie in der Regel eingestellt, obwohl für die Hälfte der Menschheit ein wirksames Medikament das Ergebnis sein könnte.

Die Warteschlage vorm Damen-WC ist deshalb so lang, weil Toiletten für Frauen und Männer die gleichen Quadratmeterzahlen aufweisen. Das sieht nach Gleichberechtigung aus, ist in Wahrheit aber Diskriminierung. Denn auf diesen Platz passen natürlich viel mehr Urinale als abgetrennte Kabinen mit Schüsseln. Selbst was gut gemeint ist, benachteiligt Frauen oft. 

Die durchschnittliche Raumtemperatur in Büroräumlichkeiten ist für Frauen zu niedrig, weil sie dem Stoffwechsel des Durchschnittsmannes angepasst ist. Manche Sachen, wie diese, nerven bloß, andere bedeuten aber mitunter Gefahr für Leib und Leben von Frauen. Das kann nicht länger hingenommen werden!

Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Erhebung wissenschaftlicher Daten müssen endlich berücksichtigt werden, damit diese riesige Wissenslücke geschlossen wird. Der Mann ist nicht der Prototyp des Menschen. 

«Die Vorstellung der Welt ist, wie die Welt selbst, das Produkt der Männer: Sie beschreiben sie von ihrem Standpunkt aus, den sie mit dem der absoluten Wahrheit 
gleichsetzen.»

Simone de Beauvoir

Liebe Frauen - und Männer - bleibt schwierig und unangepasst! Und: Nicht den Männern ihre Vorteile neiden, sondern den Frauen zu gleichem Recht verhelfen. 

(Quelle: «Unsichtbare Frauen» von Caroline Criado-Perez und die darin zitierten Studien)

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