Montag, 6. Juli 2020

One night in Frankfurt Part I


ONE NIGHT IN FRANKFURT - PART I

Nach einem anstrengenden Synchronisationskurs schmiss ich mich zwecks Nahrungsaufnahme in das Frankfurter Nachtleben.

Um von meinem Hotel in einigermaßen gemäßigte Gefilde zu gelangen, musste ich das berühmt berüchtigte Bahnhofsviertel durchqueren, vor dem mich meine Mutter in den letzten Tagen mehrfach inständig gewarnt hatte.

Ich war schon mehrmals in der Mainmetropole - einst griff mir ein Reisebuch-Autor ungefragt an den Walküren-Balkon, in Zeiten von metoo würde der heute vermutlich weggesperrt - hatte diese Besuche aber erfolgreich aus meinem Gedächtnis gestrichen.

Mit dem Ziel, die schlimmsten Bereiche zu umschiffen (beim Versuch selbiges zu erreichen hätte ich mich für den Rest meines Lebens mit harten Drogen eindecken können), geriet ich ausgerechnet in jene Gasse, die es tunlichst zu umgehen galt. Und ich meine nicht die Spielhallen, vor denen Säufer und sonstige Gestrandete herumlungern und Damen des horizontalen Gewerbes ihre übergrossen Vorbauten und prallen Gesässe willigen Freiherren zum temporären Erwerb anerbieten. (Zürichs Nutten weinen vermutlich vor Nostalgie in ihre Verrichtungsboxen.)

In erwähnter Seitenstrasse tummelten sich Junkies und Scheintote wie zu besten Zeiten des Zürcher Platzspitzes. Mein Schritt wurde schneller - und das will was heißen - meine Hand klammerte sich ans Täschchen und mit gesenktem Blick murmelte ich das Mantra "Bloss schnell weg hier" vor mich hin.

Eine eher schlecht gelaunte Mitbürgerin undefinierbaren Alters fühlte sich trotzdem irgendwie von einem meiner Blicke getroffen und schnauzte mich aus ihrem zahnlosen Mundwerk an, was ich blöde Fotze so zu glotzen hätte. Mir fiel auf den Schreck nichts Besseres ein als, schon profilaktisch zusammenzuckend, mit "Schnauze! Selber Fotze" zu antworten. Damit hatte sie wohl nicht gerechnet und liess mich mit einer ausladenden Handbewegung passieren. Ich bog rechts ab und stand vor einem Wolkenkratzer der Deutschen Bank. Größer konnte der Kontrast nicht sein. Ein Elend im Schatten des als architektonischen Kontrapunkt hingeschissenen anderen Elends.

Ich kehrte beim nächsten Thai ein und bestellte, nachdem ich einen Zettel mit Name, Adresse und Telefonnummer ausgefüllt hatte - die Stasi hätte Corona mit Handkuss begrüßt - ein Singha Beer und einen Lab Salat. Nach den ersten Bissen rief ich den Kellner.
"Entschuldigung, aber hier fehlt der Koriander."
"Ja."
"Was ja?"
"Koriander ist alle."
"Ein Thai Restaurant, das keinen Koriander hat, das hab ich ja noch nie erlebt."
"Wir haben welchen bestellt, aber er ist nicht gekommen."
"Aber im Oriental Market da drüben hat's jede Menge."
"Ja."
Der Kellner lächelte und entfernte sich rückwärts. Der Salat war auch ohne Koriander gut. Vor allem mit Schalotten und Knoblauch hatten sie nicht gespart. Gut, dass beim Synchronisieren nicht geküsst wird. Und auch der Mindestabstand hat durchaus Vorteile.

Später winkte ich ihn nochmals ran.
"Haben Sie Thai Desserts?"
"Thai Desserts?" er lachte, als hätte ich ihn um Beischlaf gebeten, "Thai Desserts, nein."
"Irgendwelche Desserts?"
"Wir haben keine Desserts."
"Ja dann. In dem Fall die Rechnung."
"Also wir haben gebratene Bananen."
"Nee, lassense mal."
"Wir haben eh auch keine Bananen. Kop khun krab."
"Ja, kop khun kha. Stimmt so."

Zwei Ecken weiter gönnte ich mir eine Kugel Mango Eis. Als ich leckend am Restaurant Der fette Bulle vorbeischlenderte, bat mich ein gutgelaunter Hesse um einen Blowjob, den ich dankend und bestimmt ablehnte, schließlich muss ich morgen Diane Keaton synchronisieren und kann keine Stimmbandüberlastungen riskieren.

Im Hotel zurück legte ich eine koreanische Rich Avocado Mask auf, mit der ich meine Mutter im WhatsApp Chat zu Tode erschreckte, weil sie dachte, ich sei bandagiert, weil man mir die Visage poliert hätte.

Beim Zähneputzen erblickte ich in der Scheibe der Dusche meinen Arsch und versuchte zu twerken. Um ein Haar hätte ich einen Bandscheibenvorfall verursacht.

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