Montag, 28. Februar 2011

Cut'n Serve



Früher hat die Grossmutter den Holzofen angeschmissen, das selbst geschlachtete Karnickel in die Röhre geschoben, Riesenklösse von Hand geformt und die Sosse mit Mondamin Fix Sossenbinder verdickt, fertig war das Festtagsmenü. Heute habe ich eine 80 Quadratmeter grosse Designerküche, in der ich ein Navigationssystem benötige, um überhaupt den Herd zu finden. 80 Quadratmeter aus dem Grunde, da Herd (Feuerelement) und Spüle und Kühlschrank (Wasserelement) weit genug voneinander entfernt sein müssen, um das Chi meiner Küche nicht zu stören. Das sagt zumindest mein Feng Shui-Küchenberater. Und kochen ist ja nicht einfach nur Lebensmittel erwärmen. Das sagt mein Mann.

So kam es jedenfalls, dass unsere Küche jetzt das halbe Haus einnimmt und wir kurzerhand aufs Wohnzimmer verzichtet haben. Das lag einfach finanziell nicht mehr drin. Soviel dazu, dass die Küche nach dem Feng Shui-Prinzip für Reichtum steht. Sie kann wohlgemerkt, muss aber nicht.
Im Prosepkt für unsere Kühe stand der Werbeslogan: 'Kochen wie die Stars in "Lüthi & Blanc" - zeige mir deine Küche und ich sage dir, wer du bist.' Da kann ich nur hoffen, dass wir uns nicht für das Küchenmodell von Beat Schlatter entschieden haben. Wer will sich schon auf das Niveau der Servelat-Prominenz begeben?

Unsere Küche nennt sich jedenfalls "InVetro grifflos" mit Abschlüssen in furniertem Makasar. Beim Kauf hatte ich verstanden, das Furnier sei aus Madagaskar. Das fand ich exotisch, man will ja multi-kulti sein. Dem Namen nach könnte man auch meinen, in unserer Küche würden künstliche Befruchtungen duchgeführt, aber soweit würden wir dann doch nicht gehen.

Jedenfalls haben wir heute Gäste und ich koche. Zuerst dachte ich an ein russisches Gericht, denn die russische Küche ist die einzige auf der Welt, bei der die Speisen unwichtig sind, solange der Wodkavorrat anhält. Es gibt jetzt aber doch etwas Asiatisches, wozu habe ich denn sonst den neuen Profi-Wok von Electrolux, handgeformt von den Frauen mongolischer Steppenkrieger? Einen Wodka - Sto Gramm - kann ich mir ja trotzdem schonmal gönnen. In unsere Kocheinheit - ein Eichenholzmonolith - ist übrigens auch ein Teppan Yaki integriert. Fragen Sie mich nicht, wozu der gut ist, klingt schwer nach einem Tibetischen Treckingführer.

Das neue Edelstahl-Kochgeschirr von Berndes im Bauhaus-Design ist induktionsfähig mit antihaftversiegeltem verkapselten Spezialboden mit extra dickem Aluminiumkern. Früher hiess das Topf. Darauf einen kleinen Wodka. Die Induktion beim Herd erfolgt im übrigen nach demselben Prinzip wie beim Manne: Kennst du einen, kennst du alle.

"Wo ist schon wieder dieser verdammte Alfredo?", schrei ich.

"Hast du etwa schon wieder einen neuen Gärtner eingestellt?"

"Nein, das ist der Kartoffelhalter, den ich als Werbegeschenk zum Sparschäler Toto dazubekommen habe."

Das Gemüse wurde von meiner brasilianischen Haushaltshilfe in einem Spezialkurs "Zen und die Kunst der Gemüsezubereitung" handgeschnitzt. Irgendwie hat sie die Sache mit dem Zen allerdings etwas zu ernst genommen, im Kochtopf herrscht nämlich die reine Leere. Sie hat danach übrigens drei Ave Maria gebetet und gekündigt.
Wo war gleich nochmal der Kühlschrank? Ich setze die Glasnudeln auf und nehme eine Packung Betti-Bossi-Mischgemüse aus dem Tiefkühler, das muss reichen. Ich schnetzele das Fleisch mit meinem guten alten Silit Universalhelfer Cut'n Serve. Nun gut, Pastete wollte ich eigentlich nicht machen, egal, dafür gibt der Flötenkessel heute La Traviata. Zeit für einen kleinen Wodka.

"Welches Porzellan wollen wir nehmen Schatz? Das Royal Copenhagen, das Rosenthal classic oder doch besser das Rosenthal studio line?", fragt mein Mann.

"Ach nimm doch das Fürstenberg, das passt besser zum Besteck von Goebbels", sag ich.

"Goebel heisst das Schatz, Goebel.

Na wie auch immer, zumindest harmoniert es ausgezeichnet mit den Tischasseccoires von Hutschenreuther und den Gläsern von Robbe & Berking. Und wenn wir Glück haben auch mit dem Gucci-Kostüm von Herrn Dr. Schweinfurths Gattin.

Jetzt müsste ich eigentlich mal die Nudeln abgiessen, das Wasser soll ja aus der Designer-Küchenarmatur "Viola" mit Joystick für die Spüle besonders magenschonend und umweltgerecht gefiltert herausfliessen. Wenn ich jetzt noch wüsste, welches Teil die Spüle ist... Egal, die Nudeln sind sowieso schon zu einem riesigen, glasigen Klumpen verkocht. Und der Wok ist schneller als ich mir erträumt habe, jedenfalls ist das Fleisch irgendwie, wie soll ich sagen, schwarz. Wie war gleich nochmal die Nummer vom Pizzaservice?  Hätte ich den Timer Pico angeschaltet, wäre das nicht passiert, aber Pico ist ja nie da, wenn Frau ihn braucht. Vielleicht kann ich ja mit Toto das Schlimmste abkratzen...

Mein holder Gatte versucht sich unterdessen mit unserem neuen Kompakt-Zapfsystem "Perfect Draft" sein erstes eigenes Pils zu zapfen. Es sieht aus wie eine Urinprobe und ehrlich gesagt schmeckt es auch ein bisschen so. Da fällt mir ein, dass ich den Wein dekantieren sollte, doch leider kann ich mit unseren Hightech-Korkenziehern nicht umgehen. Ich schlage kurzerhand den Flaschenkopf an irgendeiner Edelstahl-Armatur ab und giesse den Wein durch ein Sieb. Was der Gast nicht weiss...

Und ich bleib heute sowieso beim Wodka. NA SDAROWJE.



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