Montag, 17. Februar 2014

Heimsuchung Sunrise




Türkischer Honig und andere klebrige Angelegenheiten


Letzten Donnerstag hatte ich einen Anruf von Sunrise, während dem mich eine resolute Dame ohne Punkt und Komma davon zu überzeugen versuchte, das neue Paket "Digital-TV/Festnetz/Highspeed-Internet" von Sunrise zu erstehen. Als sie mal kurz Luft holte, lehnte ich nett und freundlich und dankend ab und legte auf.


Nichtsdestotrotz stand am Freitag gegen Zwei ein Sunrise-Mitarbeiter unangemeldet vor meiner Wohnungstür. Irgendjemand im Haus musste ihn ohne zu fragen, wer zum Teufel da schon wieder um Einlass bitte, hereingelassen haben. Da stand er nun: jung, attraktiv, gut gekleidet und charmant. Er faselte in perfektem Hochdeutsch etwas davon, dass Sunrise neue Kabel verlegt habe und er nun an meiner Kabelbuchse einen Test durchführen müsse. Buchse und Test, das klang vielversprechend. Die Falle war gelegt.


"Wenn das ein Verkaufsgespräch werden soll, dann können wir das sofort abbrechen, ich bin nicht interessiert", sagte ich. Aber nein! versicherte mir der Schönling, es gehe wirklich nur um erwähnten Test, nur 3 Minuten. Zwar stutzte ich, dass so ein Test an der Buchse durchgeführt werden müsse ging so etwas heute nicht per Fernwartung vonstatten? – liess ihn aber trotzdem rein. Ein böser Fehler. Mein junger Freund pflanzte sich sofort auf meine Couch, auf der er geschlagene 40 Minuten wie Türkischer Honig festklebte.  


Er holte Prospekt um Prospekt heraus und verklickerte mir, warum das, was ich bis jetzt habe, Scheisse ist und warum ich, würde ich überleben wollen, unbedingt das Sunrise-Angebot benötige. Dass ich jetzt schon kaum das unsägliche Fernsehprogramm verkrafte und nicht noch weitere 385 Sender benötigte, ebenso wenig wie ein Festnetz oder eine noch schnellere Internetverbindung, wollte er nicht gelten lassen. Zugegeben war er sehr charmant und schmeichelte mir was das Zeug hielt. Er interessierte sich für meine Kunst, gab sogar vor, ein Bild erstehen zu wollen und machte mir Komplimente zu meinen Augen, obwohl ich ungeschminkt, in Schlampenklamotten und wahrscheinlich auch schweisselnd vom Staubsaugen ziemlich unattraktiv neben ihm hockte. Er erzählte mir aus seinem Leben und dass er eigentlich Musiker und Innenarchitekt sei. Da fragte ich mich, wieso er ausgerechnet so einen Scheissjob machte. 


"Um so nette Leute wie Sie kennenzulernen", konterte er. Er zog alle Register und wähnte sich, als er in seinen Unterlagen nach einem Vertrag kramte, schon am Ziel. Doch auch wenn es mich all meine vorhandene Restenergie kostete, ich blieb standhaft. Irgendwann gab der Charmeur auf und machte sich von Dannen.


Restlos erschöpft legte ich mich aufs Sofa, wurde aber kurze Zeit darauf aus meinem Powernap jäh durch erneutes Klingeln geweckt. Ich schaute durch den Spion: da standen zwei Typen im Anzug und läuteten Sturm. 


"Sind Sie von Sunrise?"

"Genau, woher wussten Sie das?"

"War zu befürchten, da war aber schon einer da."

"Da war schon einer da? Wer denn?"

"Ein attraktiver Türke, aber das hat ihm auch nix genutzt, ich hab nichts unterschrieben."

"Gut für uns, dann können Sie ja bei uns..."

"Falsch, kann ich nicht."

"Aber wir haben neue Informationen, vor 5 Minuten reinbekommen."

"Ach was! Und die wären?"

"Wir müssen nur einen Test machen."

"Getestet hat der Türke auch schon."

"Na wunderbar, dann können wir ja gleich zur Sache kommen: Sie bezahlen jetzt:.......dann bezahlen Sie.....wie Sie sehen, kommen Sie jetzt viel besser....Sie haben fürs gleiche Geld viel mehr....ist das nicht ein tolles Geschenk?"


Gefühlte 2 Stunden später:

"Was für ein Geschenk? Woll'n Sie mich verarschen? Ich sagte bereits Ihrem Kollegen und ich sage es Ihnen nochmal: Ich will das nicht, ich brauche das nicht und tschüss."

"Ja aber, Sie verstehen nicht..."

"Oh doch, ich verstehe sehr gut."

"Ich erkläre es Ihnen nochmal: Sie zahlen jetzt....."

"Welchen Teil von N E I N soll ich Ihnen nochmal erklären?"

"Aber gute Frau, wenn Sie es doch nicht begreifen!" (offensichtlich hielt das dicke Frettchen mich für grenzdebil)

"Ich bin nicht Ihre gute Frau!"


Das Frettchen verdreht genervt die Augen, sein Begleiter schweigt und grinst leicht deppert. Zum etwa sechsten Mal kritzelt er auf einem Stück Papier, was ich jetzt zahle (immer falsch, denn er kennt ja gar nicht meine Gebühren und Kosten) und was ich dann alles für wunderbare Angebote nutzen darf. Er ist nicht zu bremsen, ich glaube, er hat schon Schaum vorm Mund, seinem Begleiter wird es langsam peinlich, er versucht den Übereifrigen von mir wegzuziehen. 


"Also nochmal zum mitschreiben..."

"Ich schreibe hier nix mit, ich bin auch nicht bekloppt, sowas Renitentes, Unverschämtes ist mir ja noch nie untergekommen!"
"Aber Sie haben dann Digital Fernsehen."
"Ich habe bereits Digital Fernsehen!"
"Aber nicht richtig." (offensichtlich gibt es auch falsches Digital-Fernsehen, war ich bis dato der Digital-TV-Fälscher-Mafia anheim gefallen?)

"Sie machen das jetzt und dann werden Sie mir dankbar sein."

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"Begreifen Sie nicht, was wir Ihnen hier offerieren? Sie haben dann auch nur noch eine Rechnung und nicht mehr so ein Puff!!!!", schreit er schon sichtlich genervt und aggressiv.

"Ich habe kein Puff und das ist hier auch kein Puff, aber hier gibt's gleich n' Puff, wenn ich meine Waffe ziehe!"


Die Verkäufer-Ratte lacht hysterisch auf, sein Begleiter scheint es mit der Angst zubekommen, er tritt ein paar Schritte zurück. Sein Blick scheint zu sagen: Lass uns abhaun, bei der Alten beissen wir auf Granit. Ich für meinen Teil frage mich, wieso ich mich mit diesen Früchtchen überhaupt abgebe, finde aber langsam Gefallen an der Posse. Sunrise-Mitarbeiter sind die neuen Zeugen Jehovas. Nur lästiger. Dem Dicken wachsen kleine Hörner, es riecht schon leicht nach Schwefel. 

Er ändert das letzte Mal seine Strategie: "Und, haben Sie schon ein Valentinsdate?"
"Hab ich und für das muss ich mich jetzt auch aufhübschen."

"Aber das ist doch nicht nötig, ist doch perfekt so, wie es ist", schleimt er. Wenn ihm eine Frau in Putzklamotten mit nassen Haaren als perfekt erscheint, sind seine Ansprüche ja eher tief angesetzt. 

Bevor ihm der Sabber aus dem Mund tropft, weil er seine eigene Verkaufstaktik so geil findet, beende ich die Sache schnell: "Kurz gesagt: seit Sunrise mit den Chinesen paktiert, hat die Qualität signifikant nachgelassen. Ich bin IT-Journalist, ich weiss, wovon ich rede!" (seine Augenwerden kurz ganz gross, als hätte er sich soeben in einen Koboldmaki verwandelt)

"Und Du, mein Freund und Kupferstecher, gehst nur über meine Leiche mit einem unterschriebenen Vertrag wieder weg."
"Dann eben nicht!", sagt das Maki bockig, klappt seine schwarze Mappe zu und trottet davon.


In der Hoffnung auf ein bisschen Trost, rufe ich kurz darauf meine Eltern an, um ihnen von der unheimlichen Sunrise-Heimsuchung zu berichten. Ein ganz böser Fehler. Während mein Vater mich zehn Minuten abmahnt, dass es da nur eine Reaktion, nämlich: nein, Schluss, aus, Tür zu! gibt, ruft meine Mutter aus dem Off, wie blöd und naiv ich eigentlich sei, das seien sicher gar keine Sunrise-Mitarbeiter gewesen und während der eine auf der Couch sass, habe sicher ein Komplize die Bude ausgeräumt, mein Geld und die Kreditkarten entwendet und einen Abdruck des Schlüssels für einen späteren Einbruch gemacht.

"Du bist ja schlimmer als es die 100-jährige Oma war!", höre ich noch, dann muss ich erstmal nen Schnaps trinken.


DANKE SUNRISE! Das nenn' ich Kundenservice.


Update: Sunrise hat sich, nachdem ein abgespeckter Bericht auf PCtipp erschien http://www.pctipp.ch/news/firmen/artikel/wenn-der-sunrise-verkaeufer-zwei-mal-klingelt-70682/ (20'000 Clicks in den ersten Minuten) gemeldet und entschuldigt. Man werde der Sache nachgehen, die Verantwortlichen zu Rede stellen und sich nach einer Besprechung in der Geschäftsleitung, zu denen der Artikel inzwischen auch vorgedrungen sei, wieder bei mir melden. Darauf warte ich noch. Inzwischen ist immerhin ein kleiner Blumenstrauss bei mir eingetroffen.

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