Freitag, 25. März 2011

Bis die Schwarte kracht


Will man heutzutage gemütlich frühstücken oder ein ganz normales Mittagessen zu sich nehmen, stösst man immer öfter an die Grenzen der Gastronomie. Man muss unverrichteter Dinge von Dannen trotten und seine Eier wieder selber kochen. Der neue Trend, oder besser die neue Seuche dieses Frühlings heisst allerorten BRUNCH. Das in der Fernsehserie "Dallas" erfundene Mittelding zwischen B wie Breakfast und Unch wie Lunch. Nun, für Sue Allen, J.R. Jewings Ex, war das die einzige Möglichkeit, überhaupt irgendwie an ihr Frühstück zu kommen. Zu frühmorgendlicher Breakfastzeit lag sie ja in der Regel noch besoffen im Bett.

Aber ich bin keine texanische Alkoholikerin. Ich hätte gern einen ganz normalen Kaffee, ein Brötchen, ein Ei und einen Orangensaft. Nichts zu machen. Ich muss das ganze Brunch-Paket kaufen. Ich kann gar nicht so viel in mich hineinstopfen, wie ich für den Preis abessen müsste, dass es sich buchhalterisch einigermassen lohnt. Ich muss mich also von Zehn bis Zwei durch irgendwelche Buffets kämpfen, auf denen die Teller mit den leckeren Sachen immer gerade leer sind, wenn ich komme.

Die Brunch-Kunden sind in zwei Kategorien einzuteilen: Die eine Sorte, die es sich finanziell - und meistens auch figurtechnisch - nicht leisten kann, frisst so viel in sich hinein, dass man Angst haben muss, sie fliegen einem beim nächsten Pfefferminzpastillchen buchstäblich um die Ohren, weil sie geplatzt sind. Die zweite Sorte, hat was sie hat und es nicht nötig aufs Geld zu schauen. Sie knabbern vier Stunden an einem Vollkorngipfeli, trinken Cappuccino, legen sich später eine Tranche Alaskalachs auf den Teller und schlürfen zwischen zwei Zigärrchen ihr Cüpli. Und das nicht zu knapp. Ganz hip sind Motto-Brunches wie bespielsweise der japanische Zen-Brunch, also asketische Entsagung und reine Leere am Buffet (50 Franken pro Person), oder der Russische Brunch mit Wodka, Kaviar, Balalaika-Musik und einer Kotztüte gratis dazu.

Kürzlich verschlug es mich zum Cuba-Libre-Brunch. Ich befürchtete schon, man würde uns Reis mit Bohnen und Bohnen mit Reis auftischen und dazu die Internationale skandieren. Aber es gab schon früh am Morgen spritzige Mojitos, knackige Kubaner spielten Salsa und auch das Buffet wartete mit jeder Menge karibischer Köstlichkeiten auf, die der gemeine Kubaner wahrscheinlich noch nie zu Gesicht bekommen hat. Und dann stand er plötzlich neben mir: Fidel Castro! Mit einer dicken Zigarre im Mund schob er mich mit seinen dünnen Fingern beiseite und schaufelte sich den gesamten Lachsvorrat auf seinen Teller.

"Aber Herr Castro", sagte ich "Wollen Sie nicht auch noch etwas für die anderen Gäste übriglassen?"

"Nein", sagte Fidel barsch und kratzte das Schälchen Meerrettichschaum fein säuberlich aus.

"Denken Sie denn gar nicht an die armen Leute, die auch Hunger haben?", hakte ich nach.

"Das isch mir gliich!" antwortete Fidel auf Schwizerdütsch und kraulte sich seinen in dünnen Fäden herabhängenden Bart. Gut. Fidel Castro war nicht wirklich Fidel Castro, sondern mein Nachbar der Herr Egli, der sich nur für Fidel Castro hält. Aber sie ähneln sich schon sehr. Nicht nur äusserlich. Auch der echte hat ja bekannterweise nicht wirklich etwas für sein Volk übrig. Aber ich schweife ab.

Solange das Buffet wieder aufgefüllt wird, denke ich mir, bestelle ich mir eben noch einen Kaffee. Ich winke den Kellner heran. Schon nach zehn Minuten kommt er an meinen Tisch.

"Einen Kaffee bitte."

"Cappuccino, Espresso, Double Espresso, Ristretto, Café Latte, Schale, Mokka..."

"Nein, einen ganz normalen Kaffee creme, wenn's keine Mühe macht."

"Den haben wir heute leider nicht im Angebot. Ich könnte Ihnen aber den Irish Coffee, den..."

"Nein, ich will keinen Irish und auch keinen Scottish Coffee. Wäre es vielleicht möglich den Irish Coffee ohne Irish zu bekommen?"

Nein, es war nicht möglich. Der Kellner schaute schon sehr verzweifelt aus der Wäsche. Ich erlöse ihn und bestelle einen Cappuccino.

"Mit Milchschaum oder mit Schlagsahne?"

"Milchschaum, aber bitte mehr Kaffee, weniger Milch."

"Da muss ich die Maschine erst neu einstellen."

"Schon gut, einen Cappuccino mit Milch, wie er aus Ihrer voreingestellten Maschine kommt."

"Mit einer arabischen, afrikanischen oder kolumbianischen Kaffeemischung?"

Ich will mich gerade für die kolumbianische entscheiden, wenn Sie verstehen, was ich meine, da fügt er kleinlaut an "Oder vielleicht doch besser einen Kaffee Haag?" Wirke ich zu aufgeregt, oder was?

"Okay, streichen Sie den Kaffee und bringen sie mir einen Orangensaft."

"Frisch gepresst, pasteurisiert, aus der Plastikflasche, der Glasflasche, dem Tetrapack?"

"Aus der Orange Herrgott nochmal!!", schreie ich.

Ich frage Herrn Egli, ob er zufälligerweise seine Machete dabei hat. Hat er nicht. Der Kellner kommt also gerade nochmal davon. Bei der ganzen Bestellprozedur habe ich dummerweise den zweiten Sturm auf das Buffet verpasst. Wer zu spät kommt, den bestraft eben das Leben. Oder die Zürcher Gastronomie-Mafia. Hungrig, durstig und mit leerem Portemonnaie trotte ich davon und kaufe mir im Migros ein Paket Frischbackgipfeli. Als ich den Laden verlasse, laufe ich an einem Schild vorbei: Morgen, ab 9:00 Uhr, grosser Migros-Brunch. Wohl bekomms!

2 Kommentare:

  1. Haha, super Text ! Sag mal, gibts kubanische, russische und Zen Brunchs ? Wenn ja, waer mal einen Versuch wert.. Kussi r.

    AntwortenLöschen