Mittwoch, 4. April 2012

Buchmesse Leipzig - ein Nachbericht



Es war Viertel vor ganz schön spät, als ich in Berlin landete. Im Bus vom Flughafen Tegel zum Hauptbahnhof half mir ein mittelmässig attraktiver Araber, nennen wir ihn Ahmed, ungefragt meine Reisetasche auf eine Ablage zu hieven, wo ich sie gar nicht hinhaben wollte und selbst auch nicht wieder runter bekommen würde. Nicht also genug damit, dass ich mit dem Transport meines Gepäcks auf einen Muselmann angewiesen wäre, ich war auch gezwungen VOR ihm, also BEI meiner Tasche zu stehen, anstatt es mir weiter hinten im Bus neben einem schönen Franzosen bequem zu machen. Gefickt eingeschädelt, dachte ich, alter Sharif! Der Bus war brechend voll, was Hamal schamlos ausnutzte. Zuerst hing er ganz unverfänglich mit beiden Armen in den Deckenhalterungen und taumelte mit geschlossenen Augen wie aus Versehen gegen mein Hinterteil. Als Omar merkte, dass an ein Entkommen meinerseits nicht zu denken war, sparte er sich derartige Ablenkungsmanöver und drängte sich mit seinem erigierten Schwanz ganz unverhohlen an meinen Arsch. Ich steckte fest zwischen Mustafa und dem finster dreinschauenen deutschen Riesen auf dem Sitz vor mir, der mich schon mit an die Decke verdrehten Augen anstarrte, während er seinem Gegenüber einen furchtbar langweiligen Vortrag über Cloud Computing hielt. Ich versuchte die Stellung zu wechseln, zog eine angewiderte, genervte Fresse, die Rashid, mein Belästiger, in der Scheibe des Busses sehen konnte, aber penetrant ignorierte. Es gab Zeiten in überfüllten Überlandbussen in Asien oder Lateinamerika, wo mir in der Hitze der Nacht derartige Annäherungsversuche sehr zu passe kamen. Hier im Bus mitten im verregneten Berlin hätte ich Abdul am liebsten die Fresse poliert. Als er merkte, dass ich nichts tun konnte, als mich meinem Schicksal zu ergeben, stiess er dummdreist, schamlos im Rhythmus des Busses zu. 25 Minuten lang. Bis er kam, just, als wir beim Hauptbahnhof vorfuhren. Perfektes Timing, wenn man so will. Mohammed stieg aus und rannte gen Mekka.

Kaum hatte ich mich von der sexuellen Belästigung durch Hamed erholt, sprach mich eine ziemlich verwirrte Frau an. Sie artikulierte sich wie eine Intellektuelle, sah aber aus, als hätte sie seit Tagen in ihrem Kashmirmantel unter einer Brücke genächtigt. Mit ihrem Rollköfferchen irrte sie durch die Zeit. Ihr Gesicht war zerschrammt, als sei jemand mit einem Reibeisen drübergerutscht. Sie tischte mir eine wilde Story auf, dass sie gleich ein vierfaches Stalkingopfer sei. Ihr Ex-Mann, ein hohes Tier in der Industrie, ihre Schwester, eine hochintelligente, aber äusserst hinterlistige Frau und zwei weitere Personen, deren Identität mir sofort wieder entfallen waren, wollten ihr ans Leder. Sie sei gewissermassen heimatlos, doch ihr Fall werde am internationalen Gerichtshof für Menschenrechte nicht behandelt, weil man ihr nicht glaube. Jetzt wisse sie nicht wohin, befinde sich quasi auf der Flucht, was ich ihr sogar abnahm. Die vier Genannten trachten ihr nach dem Leben - innerhalb der letzten Woche sei sie viermal Opfer von K.O.-Tropfen geworden. Das hätte so manches erklärt. Was für eine wahnwitzige Geschichte für ein paar Euro. Ich fragte sie, ob es nicht ein bisschen dick aufgetragen sei, gleich von vier Leuten verfolgt zu werden. Sie schaute mich entgeistert an, als spräche ich Suaheli. "Komm zum Punkt, Schätzchen, wie viel willst Du?, fragte ich. Sie lächelte hilflos und sagte: "Zwei Euro für Desinfektionsmittel." Ich gab ihr drei. Wahrscheinlich säuft sie das Zeug. Vermutlich ist sie eine Psychopathin. Doch es besteht auch immer eine klitzekleine Möglichkeit, dass die Leute die Wahrheit sagen. In diesem Falle wäre ich der Story meines Lebens begegnet und hätte es nicht gemerkt.
Mein Zug nach Leipzig hatte 25 Minuten Verspätung, die sich am Ende in 70 Minuten ausgedehnt hatten. Die Zeitrechnung der Deutschen Bahn ist sehr dehnbar. Während der plötzlich neugewonnenen freien Zeit genehmigte ich mir eine japanische Nudelsuppe, ein Bier und kaufte sündhaft teure, orangene Plateauschuhe sowie ein Fläschchen "Drops of Youth". Man könnte fast meinen, es handelte sich um eine PR-Aktion des Bahnhofs in Kooperation mit der Bahn, um die Verkaufszahlen der Bahnhofsgeschäfte anzukurbeln. Die Ausreden der Bahn, die alle zehn Minuten durch den Lautsprecher geplärrt wurden, gingen von 'technischer Störung des Zuges' bis zu 'Personen auf den Gleisen'. Wahrscheinlich haben sich gleich ein Dutzend Selbstmörder ins Gleisbett zur letzten Ruhe begeben und damit die Lok zerstört. Am Hauptbahnhof in Leipzig, der grösste Sackbahnhof Europas übrigens, liess ich mir vom Bodenpersonal eine Bescheinigung für die Verspätung abstempeln. Der Typ am Infopoint zierte sich augenscheinlich und sächselte mich muffelnd an. Ich verstand kein Wort. Da kriegt der Begriff SACKbahnhof gleich eine ganz andere Bedeutung.
Am nächsten Tag fuhr ich zur Messe, fand nach 40 Minuten Herumirrens und diverser Schweissausbrüche auch den Eingang für die Presse und stürzte mich ins Getümmel. Das erste Schild, was einem begegnete war jenes mit dem Schriftzug "Waffencheck", was doch den einen oder anderen Buchmessebesucher leicht zu verwirren schien. Da ich meine Smith and Wesson gerade zur Generalüberholung beim Waffenreiniger meines Vertrauens abgegeben hatte, konnte ich guten Gewissens den Eingang unbehelligt passieren. Man hätte die Leute eh besser mal daraufhin kontrolliert, was sie so schrieben und lasen. Manche Literatur entpuppt sich schnell mal als eine mittelschwere Atombombenkatastrophe. Ich studierte die Werbeplakate für die bevorstehenden Lesungen des aktuellen Messetages, doch konnten mich Lesungen vom letzten noch lebenden Mitglied der Olsenbande oder von und mit Christian Anders nicht wirklich begeistern. Da konnte man nur hoffen, dass er danach den Zug nach Nirgendwo nahm. Ich schlenderte also zum Stand des Gonzo-Verlags, wo das Gemeinschafts-Schundwerk "Fickt euch alle" vorgestellt wurde und auch ein Grossteil der beteiligten Autoren herumdümpelte. Die zweite Dame neben meiner Wichtigkeit, die am Buch beteiligt war, genehmigte sich bereits gegen Mittag einige grosse Schlucke aus ihrer mitgebrachten Wodkaflasche, die sie umklammerte, wie eine Mutter ihr Neugeborenes. Als ich mit ihr Kaffeetrinken ging und ihr eine Bratwurst spendierte, setzten sich ein paar brave Messebesucher profilaktisch von uns weg. Ich glaube, sie hatten Angst vor uns. Als meiner Begleiterin dann auf dem Rückweg zum Verlagsstand auch noch die Wodkaflasche auf den Boden polterte und den gesamten Inhalt ihres Rucksacks mit sich riss, erregten wir für einen kurzen Moment sogar die Aufmerksamkeit eines muskelbepackten Security-Hengstes, der uns mit verschränkten Armen dabei beobachtete, wie wir Pillen und Tabak und Tausende von Zigarettenfiltern, Cremedöschen, Rescue-Tropfen, verschmierte Lippenstifte, Kondome und anderen Krimskrams aufsammelten und zurück in den Rucksack stopften. Leider befanden sich keine illegalen Substanzen darunter. Ein paar Besucher blieben halb fasziniert, halb angewidert stehen und schauten uns aufmerksam zu, wie wir das ganze Gelumpe auf dem roten Teppich zusammensuchten. Wahrscheinlich hielten sie es für eine spontane Performance. Später, nachdem die Flasche zur Hälfte geleert war, ging besagte Dame der Verlegerin noch von hinten an die Titten und rief lauthals nach einem Schwanz. Es fand sich allerdings keiner ein. Viele Leute erstanden unser Werk, wir mussten Autogramme verteilen, als seien wir grosse Literaten. So gesehen war meine Anwesenheit ein voller Erfolg. Selbst die Vertragsverhandlungen für ein neues Buch verliefen wider Erwarten reibungslos. "Fickt Euch alle" wurde unterdessen von einem wachsamen Gutbürger, der es nicht gelesen hatte, bei der Bundesbehörde für jugendgefährdende Schriften gemeldet. Wir hatten das Ziel also erreicht.
Drei Tage später befand ich mich wieder in einem Bus, in umgekehrter Richtung, vom Berliner Hauptbahnhof gen Flughafen Tegel. Und mit im Bus und das ist kein dramaturgischer Scherz! Hamed, die Sau. Langsam wurde ich paranoid. Als Omar Anstalten machte, sich wieder in Richtung meines Gesässes zu schieben, schaute ich ihn nur einmal scharf an und sagte "Wage es nicht, sonst bist Du die längste Zeit diesem Hobby nachgegangen!" Er verstand, trollte sich und begann sich vorsichtig von hinten an eine Japanerin heranzuschieben.
Zwei Wochen später erhielt ich eine Nachricht von der Bahn zwecks Entschädigung für die Verspätung: 6 Euro gäbe es, abzüglich Spesen und Bearbeitungsgebühren kam ich auf knapp 3,50. In etwa die Hälfte des Portos, was ich bezahlt hatte, um den Antrag aus der Schweiz abzuschicken. Beträge unter 4 Euro werden allerdings nicht ausbezahlt und erst mit der nächsten Entschädigungszahlung verrechnet. Nun ja, im Herbst ist ja Buchmesse in Frankfurt!

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