Es war Viertel vor ganz schön spät, als ich in Berlin
landete. Im Bus vom Flughafen Tegel zum Hauptbahnhof half mir ein mittelmässig
attraktiver Araber, nennen wir ihn Ahmed, ungefragt meine Reisetasche auf eine
Ablage zu hieven, wo ich sie gar nicht hinhaben wollte und selbst auch nicht
wieder runter bekommen würde. Nicht also genug damit, dass ich mit dem
Transport meines Gepäcks auf einen Muselmann angewiesen wäre, ich war auch gezwungen
VOR ihm, also BEI meiner Tasche zu stehen, anstatt es mir weiter hinten im Bus
neben einem schönen Franzosen bequem zu machen. Gefickt eingeschädelt, dachte
ich, alter Sharif! Der Bus war brechend voll, was Hamal schamlos ausnutzte.
Zuerst hing er ganz unverfänglich mit beiden Armen in den Deckenhalterungen und
taumelte mit geschlossenen Augen wie aus Versehen gegen mein Hinterteil. Als
Omar merkte, dass an ein Entkommen meinerseits nicht zu denken war, sparte er
sich derartige Ablenkungsmanöver und drängte sich mit seinem erigierten Schwanz
ganz unverhohlen an meinen Arsch. Ich steckte fest zwischen Mustafa und dem finster
dreinschauenen deutschen Riesen auf dem Sitz vor mir, der mich schon mit an die
Decke verdrehten Augen anstarrte, während er seinem Gegenüber einen furchtbar
langweiligen Vortrag über Cloud Computing hielt. Ich versuchte die Stellung zu
wechseln, zog eine angewiderte, genervte Fresse, die Rashid, mein Belästiger,
in der Scheibe des Busses sehen konnte, aber penetrant ignorierte. Es gab
Zeiten in überfüllten Überlandbussen in Asien oder Lateinamerika, wo mir in der
Hitze der Nacht derartige Annäherungsversuche sehr zu passe kamen. Hier im Bus
mitten im verregneten Berlin hätte ich Abdul am liebsten die Fresse poliert.
Als er merkte, dass ich nichts tun konnte, als mich meinem Schicksal zu
ergeben, stiess er dummdreist, schamlos im Rhythmus des Busses zu. 25 Minuten
lang. Bis er kam, just, als wir beim Hauptbahnhof vorfuhren. Perfektes Timing,
wenn man so will. Mohammed stieg aus und rannte gen Mekka.
Kaum hatte ich mich von der sexuellen Belästigung durch Hamed erholt, sprach mich eine ziemlich verwirrte Frau an. Sie artikulierte sich wie eine Intellektuelle, sah aber aus, als hätte sie seit Tagen in ihrem Kashmirmantel unter einer Brücke genächtigt. Mit ihrem Rollköfferchen irrte sie durch die Zeit. Ihr Gesicht war zerschrammt, als sei jemand mit einem Reibeisen drübergerutscht. Sie tischte mir eine wilde Story auf, dass sie gleich ein vierfaches Stalkingopfer sei. Ihr Ex-Mann, ein hohes Tier in der Industrie, ihre Schwester, eine hochintelligente, aber äusserst hinterlistige Frau und zwei weitere Personen, deren Identität mir sofort wieder entfallen waren, wollten ihr ans Leder. Sie sei gewissermassen heimatlos, doch ihr Fall werde am internationalen Gerichtshof für Menschenrechte nicht behandelt, weil man ihr nicht glaube. Jetzt wisse sie nicht wohin, befinde sich quasi auf der Flucht, was ich ihr sogar abnahm. Die vier Genannten trachten ihr nach dem Leben -– innerhalb der letzten Woche sei sie viermal Opfer von K.O.-Tropfen geworden. Das hätte so manches erklärt. Was für eine wahnwitzige Geschichte für ein paar Euro. Ich fragte sie, ob es nicht ein bisschen dick aufgetragen sei, gleich von vier Leuten verfolgt zu werden. Sie schaute mich entgeistert an, als spräche ich Suaheli. "Komm zum Punkt, Schätzchen, wie viel willst Du?, fragte ich. Sie lächelte hilflos und sagte: "Zwei Euro für Desinfektionsmittel." Ich gab ihr drei. Wahrscheinlich säuft sie das Zeug. Vermutlich ist sie eine Psychopathin. Doch es besteht auch immer eine klitzekleine Möglichkeit, dass die Leute die Wahrheit sagen. In diesem Falle wäre ich der Story meines Lebens begegnet und hätte es nicht gemerkt.
Mein Zug nach Leipzig hatte 25 Minuten Verspätung, die
sich am Ende in 70 Minuten ausgedehnt hatten. Die Zeitrechnung der Deutschen
Bahn ist sehr dehnbar. Während der plötzlich neugewonnenen freien Zeit
genehmigte ich mir eine japanische Nudelsuppe, ein Bier und kaufte sündhaft
teure, orangene Plateauschuhe sowie ein Fläschchen "Drops of Youth".
Man könnte fast meinen, es handelte sich um eine PR-Aktion des Bahnhofs in
Kooperation mit der Bahn, um die Verkaufszahlen der Bahnhofsgeschäfte
anzukurbeln. Die Ausreden der Bahn, die alle zehn Minuten durch den
Lautsprecher geplärrt wurden, gingen von 'technischer Störung des Zuges' bis zu
'Personen auf den Gleisen'. Wahrscheinlich haben sich gleich ein Dutzend
Selbstmörder ins Gleisbett zur letzten Ruhe begeben und damit die Lok zerstört.
Am Hauptbahnhof in Leipzig, der grösste Sackbahnhof Europas übrigens, liess ich
mir vom Bodenpersonal eine Bescheinigung für die Verspätung abstempeln. Der Typ
am Infopoint zierte sich augenscheinlich und sächselte mich muffelnd an. Ich
verstand kein Wort. Da kriegt der Begriff SACKbahnhof gleich eine ganz andere
Bedeutung.
Am nächsten Tag fuhr ich zur Messe, fand nach 40 Minuten
Herumirrens und diverser Schweissausbrüche auch den Eingang für die Presse und
stürzte mich ins Getümmel. Das erste Schild, was einem begegnete war jenes mit
dem Schriftzug "Waffencheck", was doch den einen oder anderen
Buchmessebesucher leicht zu verwirren schien. Da ich meine Smith and Wesson
gerade zur Generalüberholung beim Waffenreiniger meines Vertrauens abgegeben
hatte, konnte ich guten Gewissens den Eingang unbehelligt passieren. Man hätte
die Leute eh besser mal daraufhin kontrolliert, was sie so schrieben und lasen.
Manche Literatur entpuppt sich schnell mal als eine mittelschwere
Atombombenkatastrophe. Ich studierte die Werbeplakate für die bevorstehenden
Lesungen des aktuellen Messetages, doch konnten mich Lesungen vom letzten noch
lebenden Mitglied der Olsenbande oder von und mit Christian Anders nicht
wirklich begeistern. Da konnte man nur hoffen, dass er danach den Zug nach
Nirgendwo nahm. Ich schlenderte also zum Stand des Gonzo-Verlags, wo das
Gemeinschafts-Schundwerk "Fickt euch alle" vorgestellt wurde und auch
ein Grossteil der beteiligten Autoren herumdümpelte. Die zweite Dame neben
meiner Wichtigkeit, die am Buch beteiligt war, genehmigte sich bereits gegen
Mittag einige grosse Schlucke aus ihrer mitgebrachten Wodkaflasche, die sie
umklammerte, wie eine Mutter ihr Neugeborenes. Als ich mit ihr Kaffeetrinken ging
und ihr eine Bratwurst spendierte, setzten sich ein paar brave Messebesucher
profilaktisch von uns weg. Ich glaube, sie hatten Angst vor uns. Als meiner
Begleiterin dann auf dem Rückweg zum Verlagsstand auch noch die Wodkaflasche
auf den Boden polterte und den gesamten Inhalt ihres Rucksacks mit sich riss,
erregten wir für einen kurzen Moment sogar die Aufmerksamkeit eines
muskelbepackten Security-Hengstes, der uns mit verschränkten Armen dabei
beobachtete, wie wir Pillen und Tabak und Tausende von Zigarettenfiltern,
Cremedöschen, Rescue-Tropfen, verschmierte Lippenstifte, Kondome und anderen
Krimskrams aufsammelten und zurück in den Rucksack stopften. Leider befanden
sich keine illegalen Substanzen darunter. Ein paar Besucher blieben halb
fasziniert, halb angewidert stehen und schauten uns aufmerksam zu, wie wir das
ganze Gelumpe auf dem roten Teppich zusammensuchten. Wahrscheinlich hielten sie
es für eine spontane Performance. Später, nachdem die Flasche zur Hälfte
geleert war, ging besagte Dame der Verlegerin noch von hinten an die Titten und
rief lauthals nach einem Schwanz. Es fand sich allerdings keiner ein. Viele
Leute erstanden unser Werk, wir mussten Autogramme verteilen, als seien wir
grosse Literaten. So gesehen war meine Anwesenheit ein voller Erfolg. Selbst
die Vertragsverhandlungen für ein neues Buch verliefen wider Erwarten
reibungslos. "Fickt Euch alle" wurde unterdessen von einem wachsamen
Gutbürger, der es nicht gelesen hatte, bei der Bundesbehörde für
jugendgefährdende Schriften gemeldet. Wir hatten das Ziel also erreicht.
Drei Tage später befand ich mich wieder in einem Bus, in
umgekehrter Richtung, vom Berliner Hauptbahnhof gen Flughafen Tegel. Und mit im
Bus – und das ist kein
dramaturgischer Scherz! –
Hamed, die Sau. Langsam wurde ich paranoid. Als Omar Anstalten machte, sich
wieder in Richtung meines Gesässes zu schieben, schaute ich ihn nur einmal
scharf an und sagte "Wage es nicht, sonst bist Du die längste Zeit diesem
Hobby nachgegangen!" Er verstand, trollte sich und begann sich vorsichtig
von hinten an eine Japanerin heranzuschieben.
Zwei Wochen später erhielt ich eine Nachricht von der
Bahn zwecks Entschädigung für die Verspätung: 6 Euro gäbe es, abzüglich Spesen
und Bearbeitungsgebühren kam ich auf knapp 3,50. In etwa die Hälfte des Portos,
was ich bezahlt hatte, um den Antrag aus der Schweiz abzuschicken. Beträge
unter 4 Euro werden allerdings nicht ausbezahlt und erst mit der nächsten
Entschädigungszahlung verrechnet. Nun ja, im Herbst ist ja Buchmesse in Frankfurt!
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