Dienstag, 5. April 2011

Guck mal, wer da surft - aus dem Leben einer Möchtegern-Millionärin



Viele von uns haben ja im vergangenen Aktienjahrzehnt ihr Erspartes gegen Null gefahren. Aber keine Angst, das Geld ist nicht weg, nur woanders. Man muss heutzutage sowieso flexibel sein. Ich persönlich wollte mir ursprünglich auf meine alten Tage, also mit 50, ein kleines Eigenheim zulegen. Das fällt nun ins Wasser, weil sich meine Aktienpakete selbst entschnürt und in Luft aufgelöst haben, die jetzt ein anderer einsaugt. Ausserdem ist gerade meine Scheidung durch und ich muss meinen kubanischen Ex-Ehemann unterhalten, bis der seine IV-Rente bewilligt bekommt. Er leidet unter schwersten Depressionen, weil er partout nicht einsehen wollte, dass man hierzulande für seine Krankenkasse und die Ausbildung und all diese unsinnigen Dinge selbst zahlen muss. Aber ich schweife ab.

Ich habe also kein Geld mehr für mein Eigenheim. Macht aber nichts, angucken kann ich mir ja trotzdem ein paar Angebote. Ist ja jetzt der letzte Schrei, Villen surfen im Internet. Quasi das neue kostenlose Freizeitvergnügen der Mittellosen und Möchtegernhausbesitzer. Wer nichts hat, kann sich am Computerbildschirm die Nase plattdrücken und gucken, was er auch nie haben wird. Einen Trost hat man aber doch: Diejenigen, die da ihre Häuser zum Verkauf ausschreiben, haben das luxuriöse Dingelchen dann auch die längste Zeit ihr Eigen genannt. Wahrscheinlich auch so ein paar arme Schlucker, die in die New Economy investiert haben und sich jetzt eine Dreizimmerwohnung in einer Schwamemdinger Überbauung zulegen müssen. Oder doch nicht? Haben die gar was besseres, noch teureres, an einer noch schöneren Ecke der Welt gefunden? Nein, das kann nicht sein, das darf nicht sein, davon wollen wir nichts hören.

Und so toll sind die Villen-Angebote dann auch wieder nicht. Wer will schon ein 8-Zimmer-Haus mit Pool und riesigem Garten, was zwischen zwei Eisenbahnlinien liegt? Dafür sind wir uns dann aber doch zu schade. Es sei denn, es gibt die knackige Hausherrin, die da im Liegestuhl in Reitstiefeln auf einer Nerzdecke liegt und sich ihren Luxuskörper von der Wintersonne bräunt, gratis dazu. Reitstiefel machen sich gut, auch ohne Pferd. Auf ihrem Schoss ein Mops – im Schottenröckchen – erlesene Hässlichkeit. Aber die Dame ist sicher sowieso ein extra für den Hausverkauf engagiertes Model. Ausserdem regnet's hier ja immer, ein Pool ist da eh sinnlos.

Nein, wir sind nicht neidisch, wer kommt denn auf so eine Idee. Wir wollen nur mal gucken, wie wir auf keinen Fall leben wollen. So dekadent, so so ... eben! Schon die Bezeichnungen Gold- und Pfnüselküste riechen ja nach Zweiklassengesellschaft. Pfiu Deibel aber auch. So weit, so Marx. Und 1,9 Millionen für ein mickriges Gartenhäuschen mit Seeanstoss, wo einem kamerageile Japaner vom Schiff aus beim Frühstück auf den Teller gucken?! Nein danke! Haben wir alles schon erlebt, wollen wir nicht mehr. Zurück zu dem, was wirklich zählt, auch wenn wir vergessen haben, was das sein könnte.

Oh und guck mal da, die haben doch tatsächliche echte Palmen und so eine Barockbalkonbrüstung, und der Boden ist aus Zedernholz, verdammt, wieso hab ich das nicht? Was in aller Welt habe ich nur falsch gemacht? Aber nee, der Nachbar hockt denen ja total auf der Pelle und Staub müsste auch mal wieder gewischt werden. Und der Parkplatz ist auch ziemlich eng, da passt der Jaguar ja gar nicht rein. Und der Helikopterlandeplatz ist auch nicht ganz ungefährlich, wenn da unsere Kinder im Garten spielen. Was? Ach ja, wir haben ja gar keine Kinder. Also Schwamm drüber. Allerdings haben die einen grossen Weinkeller, da könnte man gegebenenfalls den Kartoffelvorrat für die nächsten Jahre lagern oder die Stapel Wertpapiere ohne Wert... Ach was, unsere alte, kleine Mietwohnung ist eigentlich viel gemütlicher und man muss ja nicht auf eigenen Yachten dümpeln, um glücklich zu sein. Wir müssen wenigstens keine Millionärssteuer zahlen, besser kann's uns doch gar nicht gehen.

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