Dienstag, 7. April 2015

Unvollendete Manuskripte






Beim Ausmisten meines Computers und alter Dokumente kamen mir folgender Tatsachen-Notizen für ein Manuskript in die Hände, die ich vor 11 Jahren notierte. Das Vorhaben wurde nicht weiter verfolgt. Schade eigentlich.




Am 19. September 2004 schlug ich die Sonntagszeitung auf, riss eine Anzeige auf Seite 64 heraus und meldete mich für einen einjährigen Kreativworkshop an. Knapp einen Monat später sass ich mit elf anderen Frauen auf hellblauen Sesseln und atmete durch mein Kreuzbein.



"Sagst du uns jetzt noch, Doreen, was für ein Symbol du Susann zuordnen würdest?" 
Doreen seufzt angestrengt, rollt die Augen, dann nuschelt sie: "Naja, irgendwie so'n Stein würd ich sagen." Den du jetzt gleich an den Kopf kriegst, sag ich mal.



Gegen 21:47 Uhr trat ich auf die Strasse und hatte den ersten Arbeitstitel dieses Buches:

Undercover in der Klapse. Allein unter Irren - ein Erfahrungsbericht

Chronistin des Schwachsinns

Downtown Zürich

Die Geschichte einer Mörderin



...Auf meinem Handy eine SMS: 'Die haben dich im Bahnhof an der Gepäckausgabe entdeckt. Pech.' Die? Der KGB, die CIA, ehemalige Stasi-Mitarbeite, Men in Black? Die Nachricht wirft mich aus der Bahn.



Tag 2: Bea hat den Charme einer Kuh. Mit dem Unterschied, dass eine Kuh noch vergleichsweise attraktiv und intelligent rüberkommt.



Wir sollen uns alle mal vorstellen, wir seien eine Prinzessin. Es gelingt mir wirklich nur schwer, mir die Kuh als... wie auch immer. Auch in bin nicht gerade der Prototyp einer Princess.



Später: Ich renne durch die menschenleere Langstrasse, dann durch die Josefstrasse. Da fällt mir ein, dass ich vor Jahren hier mal einen Freund in einer dieser Absteigen besucht  und spontan Sex hatte. Schlechten versteht sich. Der Freund konnte nichts dafür, er kannte den Mitbewohner, mit dem ich es trieb, auch nicht. Er war sich nicht einmal sicher, ob es sich überhaupt um einen Mitbewohner handelte. Wahrscheinlich war er von der Billag, jedenfalls tauchte er danach nie wieder auf.


Endlich fand ich in ein kleines Café. An den Tischen sassen einzeln verteilt zwei Schwule und zwei Albaner. Was sich die einen für mich zu wenig interessierten, taten die anderen etwas zuviel. Soll er sich doch mal schön gen Mekka setzen, der Albaner, der. Die Schwester ass biologisches Birchermüesli und trank Grüntee. So ist es recht. Vielleicht will sie ja auch gleich an meiner Stelle Tag 3 übernehmen, dachte ich. Will sie nicht, naja, den Versuch wars wert.



Ein Bin-Laden-Verschnitt verfolgt mich durch den ganzen Hauptbahnhof. "Madame Eva?" Nicht dass ich wüsste, aber vielleicht meint er mein Alter Ego. Im Tram spielt ein Schifferklavier, auch das noch. Der Song: "Oh Susanna".



Tag 3. Sie redete und redete und schien dabei das irrige Gefühl zu haben, zu wissen, wovon.



Acht Monate später: An einem Samstag im Mai fehlte Katrin. Wir dachten uns zunächst nichts, da sie immer etwas spät dran war. Doch als sie auch zwei Stunden nach Beginn noch immer nicht aufgetaucht war, machten wir uns langsam Sorgen. Sorgen wäre eigentlich zuviel gesagt, vielmehr hofften wir, dass irgendetwas Aussergewöhnliches passiert sein möge und dass sie nie wieder kommen würde.



Dieses Mal hatte sie sich nicht die Arme aufgeritzt, sondern das Küchenmesser präzise in ihre Pulsadern gerammt. Sie hatte alles genauestens kalkuliert: Wie tief die Schnitte sein müssen, wann sie in etwa bewusstlos werden würde, wie viel Blut sie verlieren darf, um noch knapp am Leben zu sein, wenn ihre Mutter wie immer Freitagabend pünktlich von der Arbeit nach Hause kam. Was sie nicht einkalkulierte war, dass diese sich just in der unsäglichen Nacht von ihrem neuen Verehrer flachlegen liess. Als sie frisch gevögelt nach Hause kam, war Katrin bereits tot.

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